07. Mai 2006, 4. Sonntag der Osterzeit
Apg 4, 8-12
Die Osterzeit, liebe Gemeinde, ist eine Zeit des Wachsens und Heilwerdens. Licht, Wärme und Frische vertreiben die dunkle Seite des Jahres und die Schwere, die sich des Winters auf uns zu übertragen scheint. Das äußere Leben bekommt wieder eine Leichtigkeit - und das Innere? - Wird es mit ans Licht gehoben und aufgefrischt?
Ich kann mir Ostern, das wir Christen ja bekanntlich 50 Tage, bis Pfingsten feiern, gar nicht anders als im Frühjahr vorstellen. In allem, was jetzt aufbricht, steckt etwas von der Kraft der Schöpfung Gottes, die unaufhörlich weitergeht und wächst und Leben spendet in Fülle. Das Leblose in uns, das Saft- und Kraftlose kommt ans Licht und kann sich aufrichten. Vielleicht auch wieder heil werden.
So ähnlich stell ich mir die Situation auch damals in Jerusalem vor, von der die Apostelgeschichte heute berichtet. Petrus und Johannes stehen bei gutem Wind und Wetter auf dem Tempelplatz und sprechen mit neuer Kraft zum Volk, indem sie in Jesus die Auferstehung von den Toten verkünden. Und diese Rede kommt offensichtlich an. Es heißt: „Viele, die das Wort der Apostel gehört hatten, kamen zum Glauben; und die Gemeinde wuchs so stark, dass allein die Zahl der Männer bei fünftausend lag.“ (Apg 4, 4) Die Hohenpriester, Ältesten und Schriftgelehrten, die mit dem Tod Jesu den ganzen Aufruhr für erledigt hielten, sind aufgebracht. Schon wieder diese Menschenhorde! Und die Apostel müssen sich rechtfertigen: „Mit welcher Kraft oder in wessen Namen habt ihr das getan?“ (V 7)
Und dann legt Petrus los wie die Feuerwehr. Voll des Geistes, denn Gott selbst spricht durch ihn: „Ihr Führer des Volkes und ihr Ältesten!“ Damit ihr das endlich begreift: Wenn Kranke wieder heil werden und Schwache stark, dann geschieht das durch niemand anderen als durch Jesus Christus, den Nazaräer, den ihr doch alle gut kennt. „Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch. Er (Jesus) ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. In keinem anderen ist das Heil zu finden.“ (V 10f)
Eine Sternstunde christlicher Mission wird das gewesen sein. Ich sehe Petrus förmlich vor mir: Macht doch endlich eure Augen und Ohren auf! Öffnet euer Herz für diese neue Wirklichkeit. Eure alte Weltordnung rettet euch nicht mehr. Ich bitte euch: Erkennt die Zeichen vom Himmel! Schaut einfach hin! Nicht wir selber heilen, wir werden geheilt. Nicht wir selber retten, wir werden gerettet. Gott ist es, der an uns und durch uns all dies tut. Es ist derselbe Gott! Den ihr verwalten wollt, aber gar nicht könnt.
Denn: Der Gott Jesu Christi ist eine unberechenbare Kraft. Der sogar Tote zum Leben erweckt, wie wir an Jesus sehen können. Er ist der immer wieder erfrischende Frühling, der uns und euch in Bewegung setzt. Wer ihm begegnet, wird nicht mehr der Alte sein. So heilt und heiligt Gott diese Welt.
Heute Nachmittag haben das Thomas und Ancela Heller erfahren. Die beiden haben sich in unserer Kirche das Ja-Wort fürs Leben gegeben. „Wir sind nicht mehr zwei, sondern eins“, haben sie von sich gesagt - ihr Trauspruch. Sie müssen eine Ahnung von Gott bekommen haben. Sonst kann man das nicht ehrlich sagen. Das bedeutet „Sakrament“: Ich entdecke mein Leben im Kern als Gnade, als gottgewirkt. Manchmal schickt Gott Menschen, bei denen meine Sehnsucht kein Ende kennt und die Liebe kein Ende nimmt. Die Liebe braucht keine Pharisäer und Schriftgelehrten, die sie großreden.
Alle Sakramente, Taufe, Kommunion, Firmung, Vergebung und auch die anderen sind alle nur von Ostern her verständlich. Sie brechen das Alte, sie brechen das in sich Gekrümmte auf. Sie stehen ein für das, was fehlt und man sich selbst nicht geben kann. Sie bergen in sich den Traum der Menschen vom guten und wahren Leben - von der Unverbrüchlichkeit der Liebe zum Beispiel in der Ehe, vom Zu-sich-stehen-Können trotz eigener Schuld in der Buße. Es geht nicht um ein verträumtes Beschönigen des Lebens, um Beziehungsromantik oder Gottesschwärmerei. Es geht ganz realistisch um uns. Sakramente sprechen uns von Gott her Heilung zu gerade dort, wo wir sie am dringendsten nötig haben: wo das Unwahre und Unheile am Leben auf uns am meisten lastet. Am Ende stehen wir als Geheilte da.
Übrigens: Als Petrus und Johannes ihre flammenden Reden vor dem Hohen Rat beendet hatten, wunderten sich die Ältesten und die Schriftgelehrten sehr. Denn sie merkten, dass die, die da gesprochen hatten, ganz „ungelehrte und einfache Leute“ waren. Sie erkannten sie als Jünger Jesu. Und sie sahen, dass auch der Geheilte bei ihnen stand. So konnten sie nichts dagegen sagen. (vgl. V 13f). Herrlich!
An seinen Taten lässt sich Gott erkennen als der allein Mächtige. Da kann tatsächlich keiner was gegen machen.
Ludger Verst, Diakon