3. Juni 2007, 10. Sonntag im Jahreskreis
Lk 7, 11 - 17
 
 
Liebe Gemeinde!
 
Muss man das so glauben, um Christ zu sein?
 
War Jesus ein Zauberer, ein Wundertäter, der nach belieben tun konnte, was er wollte? Der den jungen Mann von Nain aus dem Tod holen konnte - oder eben nicht, wenn er es nicht gewollt hätte? Muß ich das glauben?
 
Warum geschieht das dann nicht heute? Warum erhält die Mutter, die heute um ihr Kind weint und deren Schmerz nicht geringer ist, als der der Witwe von damals, warum erhält die ihr Kind nicht zurück? Hat sie nur das Pech gehabt, zur falschen Zeit am falschen Ort gelebt - und gelitten zu haben?
 
Und: Wenn die Kraft Jesu Menschen aus dem Tod zu holen, glaubensbegründend ist, warum haben damals nicht alle an ihn geglaubt?
 
Oder vielleicht war der junge Mann gar nicht „richtig“ tot? War er nur Scheintod und Jesus hat das erkannt?
 
Auf der anderen Seite: Wenn heute hier in unserer Stadt ein Toter „auferstehen“ würde, wären dann unsere Glaubensprobleme alle erledigt? Wüssten wir dann ein für allemal, was richtig wäre und wie Leben, Glauben geht?
 
In der Zeitung konnte man vor einiger Zeit lesen, dass es in Indien einen Menschen gibt, der die Fähigkeit hat, sich ein Messer durch das Herz zu stoßen - ohne daran zu sterben. Dies wird als eindeutig, als unbezweifelbare Tatsache dargestellt. Selbst, wenn dem so wäre, wäre dies ein Ausweis dafür, dass ich diesem Menschen „glauben“ müsste? Dass ihm, seinem Leben, seinen Worten eine grössere Autorität zukäme, als anderen Menschen?
 
Die Grundaussage des Evangeliums muß einen anderen Inhalt haben, als die, das Jesus ein „Zauberer“ dieser Art wäre. Das wird allein durch diese Fragen deutlich.
 
Jesus ist in seinem Leben ja auch nicht angeeckt, wegen seinen Heilungen. Er hat keine Schwierigkeiten bekommen, weil Menschen aus der Begegnung mit ihm neue Kraft, neues Leben erfahren haben.
 
Der Konfliktpunkt seines Lebens war sein Anspruch, dass in ihm Gott in besonderer Weise sichtbar wird, dass durch ihn, durch seine Botschaft, ja, durch seine Person das Reich Gottes in einzigartiger Weise erfahrbar würde - und zwar hier und jetzt und nicht erst im Jenseits oder in einem unbestimmbaren „Später“. Totenerweckungen allein waren im Altertum nichts Besonderes. Das wurde von vielen erzählt. Auch in der Bibel sind sie uns überliefert, wie wir es in der Geschichte von Elia als Lesung ja auch gehört haben.
 
In dem heutigen Evangelium wird etwas anderes erzählt, als nur, dass Jesus einem beliebigen Menschen seiner Zeit zufällig begegnet ist und ausgerechnet nur ihm und seiner Mutter einen Gefallen getan hätte. Es geht im Evangelium um die Glaubensaussage der Jünger, der Christen überhaupt, die für uns alle von Bedeutung ist und die in diesem Handeln exemplarisch sichtbar geworden ist. Jesus ist der Messias. Und damit ist er der Herr - auch über Leben und Tod.
 
Wie ein Kommentar zu unserer heutigen Erzählung wirkt das Wort Jesu im Johannesevangelium: „Wer mein Wort hört und daran glaubt, der ist vom Tod ins Leben hinüber gegangen!“
 
Wenn wir das Evangelium auf diesen Hintergrund hören, fängt die Geschichte der Totenerweckung an, auch für uns heute lebendig zu werden und eine Glaubenserzählung zu sein, die mich in meinem Lebens- und Glaubensalltag anspricht. Dann ist sie nicht mehr nur ein Ereignis aus vergangener Vorzeit, das uns staunen oder skeptisch mit den Achseln zucken läßt.
 
„Wer mein Wort hört ... ist vom Tod ins Leben hinüber gegangen!“
 
Damit ist nicht der Tod gemeint, der sich an der Herztätigkeit oder an den Hirnströmen messen läßt, sondern der Tod, dem viele Menschen - vielleicht auch wir? - verfallen sind, ohne dass man das auf den ersten Blick merkt.
 
Peter Jansens, der Dichter vieler neuer geistlicher Lieder hat in seinem Musical „Franz von Assisi“ diese Totenerweckung gedeutet. Er erzählt das Leben eines jungen Mannes - eben des jungen Franziskus - der in der abwechslungsreichen Monotonie des Alltags dahin vegetiert: „Fressen, saufen, schlafen, huren ... immer dasselbe!“ Wie viele Menschen leiden unter einer solchen Existenz: Nach außen scheint alles klar und gut zu sein. Aber nach innen ist es leer und tot.
 
In eine solche Lebenswirklichkeit hinein, wird die Aussage des heutigen Evangeliums gesprochen: Jesus, der Messias, ist der Herr über Leben und Tod. Sein Wort, das Wort Gottes, hat die Macht, den tödlichen Alltag der Hoffnungslosigkeit, der Sinnleere und der Ausweglosigkeit zu durchbrechen.
 
Im Lied singen wir von den Menschen, „... die da sind und doch nicht leben“ (Gl 637,3). Zu einem solchen sagt Jesus energisch und provozierend: „Junger Mann, ich sage dir, steh auf!“
 
Diese Worte sind uns gesagt und dringen durch die dicksten Sargdeckel unseres Lebens. Wo jemand bereit ist, sie zu hören, ihnen zu glauben, zu glauben, dass die Macht dieser Worte Leben ist, Leben Gottes sogar, da kann er die Ängste verlassen, die ihn sonst hindern, das eigene Leben zu gestalten. Diese Worte zu hören, ihnen zu trauen und ihnen zu folgen heißt, auf den Herrn und Lebensspender selber zuzugehen.
 
Amen
 
Harald Fischer