Liebe Gemeinde!

Ich freue mich, wieder mit Ihnen Eucharistie feiern zu können. Wie Sie wissen, komme ich aus dem Bistum Thanjavur in Südindien.
 
Seit ihren Anfängen versucht die Kirche Christi, ihre eigene Existenz zu verstehen und ihr Wesen zu deuten. Im Schlusskapitel des Johannesevangeliums, das wir eben gehört haben, erscheint als Bild der Kirche das Schiff des Petrus: eine mühsame Arbeit ist zu verrichten. Aber der Erfolg dieser Arbeit hängt vom Wort und vom Willen Jesu ab. - Auch die Kirche in Indien versucht, sich auf ihr Wesen zu besinnen und nach dem Wort und Willen Jesu zu leben. So hat sich die indische Bischofkonferenz in diesem Jahr mit dem Thema der Ausbildung und Beteiligung der Laien in der Kirche beschäftigt. Warum die Bischofskonferenz dieses Anliegen aufgegriffen hat, liegt daran, dass sich Sekten ausbreiten, besonders die Pfingstkirche ist sehr aktiv. Es geschieht immer wieder, dass auch gute Katholiken ihre Kirche verlassen und zu den Pfingstlern gehen. Um herauszufinden, warum katholische Christen ihrer Kirche den Rücken kehren, haben wir eine Umfrage gestartet. Die Antworten waren sehr interessant, hielten sie doch unserer kirchlichen Praxis den Spiegel vor.
 
Folgende Gründe wurden genannt:
 
Als Katholiken kannten wir die Bibel nicht. Nun aber kennen wir das Wort Gottes und lesen es. - Es ist ihnen zur Quelle der Kraft in ihren Problemen und Schwierigkeiten geworden.
 
Sie sagten uns: Wenn wir zur Messe kamen, las irgendjemand aus der Bibel vor, jemand predigte, ein Chor sang, aber wir waren nicht beteiligt. Wir konnten nur einige Gebete gemeinsam sprechen. Bei den Treffen der Pfingstkirche bringen wir unsere Bibeln mit. Nun können wir den Text mitlesen, wenn er vorgelesen wird. Wir singen gemeinsam, was bei den Katholiken nicht üblich ist. Wir erhalten auch die Gelegenheit, spontan für einander zu beten. Nun sind wir von Zuschauern zu Mitfeiernden geworden.
 
Wenn wir in die Katholische Kirche kamen, konnten wir keine echte Gemeinschaft erfahren. Jeder kommt, um zu beten, aber er sieht die Gemeinschaft nur in der Teilnahme an der Eucharistie. Aber jeder verlässt die Kirche, ohne den anderen zu kennen.
 
Als Katholiken fühlten wir uns in Augenblicken der Freude und des Leides alleingelassen. Wir wurden nicht von der Gemeinschaft der Gläubigen getragen. Aber jetzt kommen wir zusammen. Dadurch wächst die Freude und das Leid wird leichter.
 
Das sind die Gründe, warum wir zu den charismatischen Sekten gehen.
 
Auf dem Hintergrund dieser Umfrage machten sich die indischen Bischöfe Gedanken, was getan werden könnte, dass die Gläubigen sich in ihrer Kirche zu Hause fühlen, wie sie ihren Glauben vertiefen könnten und nicht in die Hände von Sekten geraten. Wir entschlossen uns zu einem pastoralen Plan.
 
Bis zum Jahr 2008 soll jede katholische Familie eine Bibel erhalten und angeleitet werden, jeden Tag darin zu lesen. Das kann individuell oder in einer Gruppe geschehen.
 
Wir teilen die Pfarrgemeinden in Sektoren auf. Die Familien, die dort leben, treffen sich zweimal im Monat zum Bibelteilen und feiern an einem Wochentag einen Hausgottesdienst. So lernen sie sich näher kennen und Gemeinschaft entsteht. - Auf diese Weise versuchen wir, christliche Basisgruppen zu schaffen.
 
Aus diesen Basisgruppen kommen dann die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte.
 
In meiner Diözese leben 50.000 katholische Familien. Etwa 40.000 von ihnen besitzen eine Bibel. In den nächsten zwei Jahren sollen auch die restlichen 10.000 Familien eine Bibel erhalten.
 
Es gibt 81 Pfarreien in der Diözese Thanjavur. In 45 von ihnen existieren schon Basisgruppen. Auch in den restlichen Pfarreien sollen Basisgruppen gegründet werden.
 
Wir denken, dass es sehr wichtig ist, die Menschen aktiv am Leben der Kirche teilhaben zu lassen. Man muss die Leute dort abholen, wo sie stehen, um eine lebendige Kirche aufzubauen. Das kann auf ganz verschiedenen Ebenen geschehen. Wichtig ist, dass die Menschen ihren Glauben unter Anleitung neu entdecken und Freude am Glauben und an der Gemeinschaft erfahren. Nur so hat die Kirche eine Zukunft.
 
Nun möchte ich noch kurz einiges zu der Situation in meinem Bistum zwei Jahre nach dem Tsunami sagen. Vieles ist inzwischen aufgebaut worden und die Bevölkerung hat Hilfe von verschiedenen Organisationen, auch von der katholischen Kirche, erhalten. Die Regierung kümmert sich vor allem um den Wiederaufbau der Infrastruktur.
 
Ich bin Ihnen für Ihre Hilfe, die ich direkt nach der Katastrophe und bis heute von Ihnen erhalten habe, vor allem für das Kinderheim in Kattumannarkoil und beim Bau des dazugehörenden Schulgebäudes. - Ihre Hilfe hat 93 Kinder unterstützt. 16 Kinder haben inzwischen die 10. Klasse abgeschlossen und gehen jetzt auf weiterführende Schulen. In diesem Schuljahr werden weitere 8 Kinder die 10. Klasse beenden. Von dem Geld, das dadurch frei wird, werden andere arme Kinder unterstützt. Immer können viele Eltern ihren Kindern keine Schulbildung ermöglichen. Wir helfen sowohl christlichen wie auch hinduistischen Familien.
 
So wie der Ozean aus vielen kleinen Wassertropfen besteht, so hat ihre kleine Hilfe einen großen Ozean aus Hoffnungstropfen entstehen lassen.
 
Ich danke Ihnen dafür.
 
Amen.
 
Bischof Ambrose