Liebe Gemeinde!

Auf einer seiner Missionsreise kommt Paulus nach Ephesus. Dort  trifft er einige Jünger und fragt sie: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?“ Sie antworteten ihm: „Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt“ (Apg 19,2).

Dieses kurze Gespräch ist sehr aktuell. Würde man heute eine Umfrage machen – ähnlich wie es sie zu Weihnachten oder Pfingsten gibt – man könnte wohl häufiger solche Antworten finden. Viele Menschen können mit dem Heiligen Geist, mit Pfingsten nicht viel anfangen.  Manche würden sich vielleicht noch an ihre eigene Firmung erinnern. Aber wenn man dann fragen würde, wie sich diese in das persönliche Leben ausgewirkt hat oder welche konkrete Bedeutung die Firmung für den Einzelnen hat, würde es mit den Antworten meist eng.

Pfingsten – ein Fest, mit dem es sehr viele schwer haben.

Wenn wir fragen, was „Heiliger Geist“ bedeutet, ist es sinnvoll, in die Heilige Schrift, in das Leben Jesu selber zu schauen. Und wir werden merken, dass dem Heilige Geist eine sehr große Bedeutung zukommt. Es wird – zwar diskret aber dennoch unüberschaubar – sichtbar, dass das Leben Jesu von Anfang an vom Geist Gottes begleitet, geprägt ist.

Schon ganz am Anfang bei der Verkündigung durch den Engel heißt es an Maria, seine Mutter: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“. Bei Matthäus sagt der Engel zu Josef: „Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Bei der Taufe Jesu im Jordan heißt es: „Und während er betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam in Gestalt einer Taube auf ihn herab“ (Lk 3,21.22). Der Geist treibt Jesus in die Wüste und „erfüllt von der Kraft des Heiligen Geistes“ (Lk 4,1.14) kehrt er nach Galiläa zurück. Bei seinem ersten Auftreten in der Synagoge von Nazareth schlägt er das Buch des Propheten Jesaia auf und findet die Stelle: „Der Geist des Herrn ruht auf mir.“ Dieser Geist des Herrn ist die innerste Kraft, die Jesus in all seinem Tun bewegt. Von diesem Geist her werden seine Begegnungen mit den Menschen geprägt, seine Art und Weise, zu heilen, zu reden, zu handeln.

Diesen Heiligen Geist hat Jesus sterbend in die Welt hinein gehaucht. Ihn hat er am Osterabend den Jüngern geschenkt, die aus Angst hinter verschlossenen Türen waren. Er hat sie angehaucht und gesagt: "Empfangt den Heiligen Geist!“
Erst hiermit vollendet sich das Leben Jesu. Sein Geist war das Geschenk Gottes an die Jünger am Pfingsttag. Von diesem Geist leben wir noch heute. Der Geist Jesu ist am Pfingstfest über die Gemeinde von Jerusalem gekommen. Der gleiche Geist wurde bei der Taufe in unser Herz ausgegossen. In der Firmung ist bestätigt worden, dass wir geisterfüllte Menschen sind. Dieser Geist ist es, der den heute noch lebendigen Jesus ausmacht. Wir sind – als seine Kirche, als geisterfüllte Jünger und Jüngerinnen Jesu der auferstandene Christus. In uns lebt sein Geist, in uns lebt er selber. Wir sind seine Gestalt, die durch die Zeiten hinweg die Wahrheit Gottes in der Welt sichtbar macht. Über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren hat sich der Geist Gottes in dem Menschen Jesus von Nazareth manifestiert. Heute sind wir als die Kirche, als die Gemeinschaft der Glaubenden  die Gestalt des auferstandenen, des gegenwärtigen Jesus Christus.

Wie wir im Leben Jesu die Gegenwart des Heiligen Geistes finden können, so dürfen wir auch in unserem Leben heute nach der Wahrheit des Heiligen Geistes suchen. Erfüllt sein vom Heiligen Geist: das bedeutet nicht, dass wir zu religiösen Spitzenleistungen verpflichtet wären. Wir können aufmerksam werden, auf die Spuren des Heiligen Geistes, wie er sich in unserem Alltag zeigt. Vielleicht finden wir mehr, als wir bei oberflächlichem Hinschauen zunächst meinen würden.

Wenn jemand der leisen Stimme seines eigenen Gewissens folgt – obwohl die vielleicht nicht mit dem „mainstream“ der öffentlichen Meinung übereinstimmt – kann es sein, dass der Heilige Geist selber sich sichtbar macht.
Oder wenn Menschen ihrer persönlichen Berufung treu bleiben, obwohl vielleicht ganz andere Wege auch locken würden, oder wenn jemand in einer Art „Trotzdem – Liebe“ einen anderen nicht aufgibt, obwohl der es schon längst verdient hätte, können wir vielleicht Spuren des Geistes Gottes feststellen.

Oder wenn Menschen mit ihrem persönlichen beten nicht aufhören, obwohl es keinen geistlichen Geschmack mehr gibt und nur innere Leere zu erfahren ist, wenn Menschen auch in persönlicher Not oder Krankheit nicht aufhören zu hoffen – und dabei nicht nur die Erfüllung ihrer eigenen Wünsche im Sinn haben, kann das aus der Kraft des Heiligen Geistes erfolgen.

Oder wenn Menschen angesichts des Todes darauf vertrauen, dass ihr Leben gehalten ist - auch mit allen Brüchen - ist das Wirken und Wehen des Heiligen Geistes zu spüren.

Unser eigenes Leben ist eine Fundgrube, um Gottes Geist auf die Spuren zu kommen.

Wer wie ein Wünschelrutengänger nach den Wassern des Geistes sucht und gleichzeitig um sein Kommen betet, wird nicht enttäuscht. Denn Jesus sagt: „Wenn schon ihr, die ihr böse seid (d.h. in einer Welt lebt, in der das Böse mächtig ist), euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (Lk 11,13).

Pfingsten ist das Fest, dass uns einlädt, auf unser eigenes Leben zu schauen und dort Gottes guten Geist zu entdecken. Gottes Wahrheit läßt sich oft reichhaltiger bei uns selber feststellen, als wir es manchmal selber ahnen.

Amen

Harald Fischer

(mit Gedanken von Dr. Klaus Egger, Innsbruck)