Ostern 2007
 

Liebe Gemeinde!
 
Man erzählt, dass der Heilige Augustinus einmal schon im Januar den Auftrag erhalten hatte, zu Ostern zu predigen. Er habe darauf hin seinen Bischof sofort um Urlaub gebeten, um die Osterpredigt gründlich vorzubereiten.
 
Ich kann mir gut vorstellen, was den Heiligen Augustinus zu diesem Urlaub veranlaßt hat, aber ich glaube auch, dass es ihm auch nach wochenlangen Vorbereitungen immer noch schwer gefallen ist, das in Worte zu fassen, was wir heute feiern:
 
„Christus ist auferstanden. Ja, er ist wahrhaft auferstanden!“
 
Das sind Worte, die unser Denken sprengen. Ostern sprengt die Grenzen unserer Erfahrungswelt, sprengt die Grenzen unseres Denkens.
 
Die Sprachlosigkeit die Ostern auslöst,  finden wir schon im Evangelium bei den Frauen. Ratlosigkeit, Unverständnis und Verwunderung waren ihre erste Reaktionen am Ostermorgen. Sie und die ersten Jünger hatten es schwer, ihre Erfahrungen, ihren Glauben in Worte zu fassen.
 
Man kann ja noch staunend vor dem Wunder von Weihnachten verharren, aber Geburt und Familie gehören doch noch zur ursprünglichen Erfahrungswelt des Menschseins.
 
Ostern ist radikaler. Ostern kündigt eine Überschreitung an, die in unserer  Biologie, die in unserer Welt keinen Anhaltspunkt hat.
 
Dass der Tod nicht das Letzte ist, dass der Tod ein Durchgang ist, davon kündet Ostern.
 
Die Botschaft hören wir wohl, allein, wie können wir glauben?
 
Es ist gut, dass die Liturgie der Osternacht nicht nur auf die Kunst des Wortes setzt, auf eine Predigt zumal, die angesichts der Ungeheuerlichkeit dessen, was sie zur Sprache bringen soll, immer nur armseliges Gestammel bleiben kann. Es ist gut, dass wir - gerade in der Liturgie - auf die gewaltige Kraft der Symbole setzen können, die die Sprache übersteigen.
 
Wir hören nicht nur die Rede vom Licht und von Feuer. Wir haben es entzündet, erlebt, in unseren Händen getragen.
 
Wir werden das geweihte Wasser gleich bei der Tauferneuerung spüren, Wasser, das erfrischt und Leben ermöglicht.
 
Wir haben die Pantomime unserer Jugendlichen gesehen, den Versuch, das Unsagbare in Bewegung umzusetzen.
 
Und wir haben die Sprache, die zum Gesang wird und im Exultet und im Halleluja ertönt.
 
Heute Nacht werden die Grundtöne des menschlichen Lebens angeschlagen - und in Lobgesänge verwandelt.
 
Als wir uns vorhin im dunklen Gotteshaus versammelt haben, war noch der Karsamstag spürbar. Es lag noch die Erstarrung in der Luft. Doch dann, nach und nach hat sich das Licht der Osterkerze ausgebreitet und ein schlichtes „Lumen Christi“ - „Christus, das Licht!“ setzt auf das Unfaßbare: Das Licht, nicht das Dunkle ist Gottes Schöpfung gemäß: Christ ist erstanden!
 
Im Exultet, dem großen Osterlob, wird die Heilsgeschichte der Menschheit, des jüdischen Volkes und der christlichen Gemeinde besungen, nein vergegenwärtigt: „Dies ist die Nacht“, so haben wir ein um das andere Mal gehört. Das Freiheitsgeschehen, das Gott schenkt, ereignet sich auch weiterhin.
 
Auch heute werden Menschen aus der Sklaverei befreit. Auch heute dürfen wir glauben, dass die Knechtschaft der äußeren Verhältnisse, der inneren Zwänge, der eigenen Ängste nicht das letzte Wort hat. Auch heute werden Menschen dem Elend der Sünde entrissen. Wir haben es in dem unglaublichen und wunderbaren Wort des Exultet gehört: „O glückliche Schuld, die diesen Erlöser gefunden!“
 
So weit geht die Paradoxie Gottes: Inmitten des Dunklen das Licht.
 
Das Wunder der Auferstehung sprengt die Grenzen unserer Erfahrung. Dennoch wagt es die österliche Liturgie, das Unfaßbare ins Zentrum nicht nur unseres persönlichen Glaubens, sondern der Geschichte, der Weltgeschichte zu stellen und sie damit zu einer Heilsgeschichte zu erklären.
 
Wer österlich glauben will, muß sich auf die Symbole dieser österlichen Nacht einlasen.
 
Die Macht des Todes ist groß. Wir haben nichts dagegen als eine winzige Hoffnung, die wir heute Nacht sichtbar machen und feiern. Wir haben nichts in Händen als ein kleines Licht im Dunkeln.
 
Wir haben das Lumen Christi.
 
Amen
 
Harald Fischer
(nach Christian Heidrich CIG 14/07)