27. August 2006, 21. Sonntag im Jahreskreis
Joh 6, 60 - 69 
 
 
Liebe Gemeinde!
 
Viele Menschen haben es heute mit dem Glauben schwer.
 
Zum einen fühlen sich viele allein. Im Unterschied zu Zeiten, die die Älteren unter uns vielleicht noch erlebt haben, gibt es heute in der Regel kein Milieu mehr, das den Glauben trägt und stützt. Wenn sich jemand z.B. an seinem Arbeitsplatz als Christ, vielleicht sogar als Katholik bekennt, ruft er damit in der Regel Verwunderung und Unverständnis hervor. Man kann sich auf diese Weise sogar zum Außenseiter machen. Oder wenn Sie, die sich heute morgen auf den Weg zum Gottesdienst gemacht haben, mal in Ihre „Hausgemeinschaft“ schauen: Vermutlich werden die Meisten feststellen, daß Sie die einzigen sind, die eine solch „seltsame“ Sonntagmorgen Beschäftigung gewählt haben. Manche müssen es auch erleben, daß sie den Weg des Glaubens auch in der Familie allein gehen, weil der Ehepartner, die Kinder, die Angehörigen, diesen Weg nicht teilen oder verstehen können. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, als Christ zu leben.
 
Mit dem Glauben ist es oft nicht leicht! Auch, weil man manchmal in sich selber die Fragen, die Zweifel spürt und nicht weiß, was man denn nun eigentlich glauben soll. Viele Menschen gehen in die Kirche mit der Frage: Mal sehen, ob es mir was bringt. Mal sehen, ob das, was der Pfarrer heute morgen zu sagen hat, in mein Leben  paßt und etwas mit meinem Alltag zu tun hat.  Mal sehen, ob mir heute morgen danach ist, mich dem auszusetzen, was mir in Kirche und Gottesdienst begegnen wird. Eigentlich muß ich das alles ja nicht so ernst nehmen und wenn es mir nicht mehr paßt, kann ich es auch bleiben lassen.
 
Gerade in unserer Gemeinde haben sich ja viele Menschen beheimatet und kommen immer wieder mal zum Gottesdienst, für die der Glaube im besten Sinn des Wortes „frag - würdig“ ist.
 
Es ist natürlich unumgänglich und notwendig und auch sehr gut, in einer säkularisierten Welt Orte zu haben, an denen Menschen sich Impulse, Anregungen, Hilfestellungen in den eigenen Glaubensfragen erhoffen. Es muß diesen Raum geben, wo die Fragen leben können und es muß die Zeiten geben, in denen die Fragen gestellt und gelebt werden können.
 
Aber es gibt auch die Herausforderung und die Zeit, Entscheidungen zu treffen. Es gibt in den Glaubensfragen auch irgendwann einmal die Zeit, sich zu entscheiden: Lasse ich mich auf den Glauben ein, ganz und gar mit allem, was zu meinem Leben gehört - oder „gehe ich“ und lebe in einem anderen Kontext, mit einer anderen Weltanschauung weiter. Natürlich kann niemand für einen anderen diese Entscheidung treffen und jeder muß für sich selber sehen, wann diese Zeit „dran“ ist. Erst recht kann keiner sagen, daß gerade dieser Tag, daß heute für alle, die hier im Gottesdienst sind, der Tag der Entscheidung im Glauben ist.
 
Aber immer nur in der Unverbindlichkeit zu leben? Natürlich geht das auch. Vielleicht leben viele, vielleicht sogar die meisten Menschen so - im Vorläufigen, im Unverbindlichen. Und wer von uns kann schon sagen, was wir selber im nächsten Jahr zu den vielleicht schon getroffenen Glaubensentscheidungen, die uns heute tragen, sagen werden. Und dennoch - wenn wir bewußt immer im Unverbindlichen und Vorläufigen bleiben, sind wir in der Gefahr, am Eigentlichen, am Wesentlichen des Glaubens vorbeizugehen. Wir nehmen uns so die Möglichkeit, in die Tiefe zu gehen und im geistlichen Leben zu wachsen.
 
Im heutigen Evangelium wird uns eine Entscheidungssituation vorgelegt. Menschen müssen sich entscheiden, ob sie wollen oder nicht.
 
Wir haben den Abschluß der großen Brotrede des Johannesevangeliums gehört, die uns jetzt schon seit mehreren Wochen im Sonntagsevangelium begleitet hat.
 
Ausgangspunkt ist, daß sehr viele Menschen einen ganzen Tag der Lehre Jesu zugehört haben. Sie haben sozusagen eine religiöse Unterweisung, eine Katechese erfahren. Am Abend dieses Tages sind sie - weil ein kleiner Junge den Mut hatte, seine mitgebrachten fünf Brote und zwei Fische zu teilen - alle satt geworden: die Speisung der 5000. Das Evangelium erzählt, wie eine Gruppe dieser Menschen am Tag danach zu Jesus geht. Sofort spricht er sie an: „Ihr kommt nicht, weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr von den Broten gegessen und satt geworden seid. Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die bleibt zum ewigen Leben.“
 
Jesus kritisiert eine Art Wundererwartung, wie wir sie heute vermutlich auch noch kennen: Wenn etwas spektakuläres passieren würde, etwas, was mir „was bringt“, was mich „sättigt“, dann kann es ja sein, daß es „sich lohnt“ zu glauben.
 
Diese Art „Wunder“ lehnt Jesus ab. Er sagt: „Das ist das Werk Gottes, daß ihr an den glaubt, den er gesandt hat!“
 
Wunder, das Werk Gottes, sind nicht irgendwelche ungewöhnlichen Phänomene, die mich in Erstaunen setzen. Wunder ist der Glaube.
 
Natürlich: Es ist ein Wunder, wenn Menschen glauben können, daß die Welt Schöpfung Gottes ist. Es ist ein Wunder, wenn die Menschen damit rechnen, daß es „mehr als alles gibt“, daß die Welt sich nicht in sich selbst genügt und erschöpft. Es ist ein Wunder, daß Sie hier sind, Gottesdienst feiern, Glaubende sind. Es ist nicht selbstverständlich, wenn Menschen daran glauben und darauf vertrauen können, daß wir Gemeinschaft mit Gott haben.
 
Darum geht es in der Brotrede des Johannesevangeliums. Es würde sich lohnen, diese ganze Rede im Zusammenhang zu lesen. Darum geht es in der Botschaft Jesu überhaupt:: Gott ist in dieser Welt. Er macht sich sichtbar. Im Glauben ist er für uns erfahrbar.
 
Johannes will uns seinen Glauben im Evangelium zeigen: Gott macht sich im Wort sichtbar, im Wort des Jesus von Nazareth, ja sogar in seiner Person selber. Jesus ist für uns Brot, das Brot des Lebens. Von ihm können wir genährt werden.
 
Gott zeigt sich in einem Menschen.
 
„Was er sagt, ist unerträglich Wer kann das anhören!“ So reagieren viele der Jünger Jesu auf diese Botschaft.
 
Wie reagiert Jesus auf diese Ablehnung? Als guter Pastoraltheologe, als guter Hirt müßte er doch jetzt werben, vermitteln, verständlich machen, vielleicht sogar einlenken, andere Verstehens- und Interpretationsmöglichkeiten vorlegen. .
 
Dafür ist jetzt nicht der Zeitpunkt. Hier liegt eine Entscheidungssituation vor.
 
Er fragt seine Jünger: „Wollt auch ihr gehen?“ Petrus gibt die wunderbare Antwort: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“
 
Ich kann Petrus sehr gut verstehen. Wenn ich einmal das Gedankenexperiment mitmachen würde und mir die anderen Antwortmöglichkeiten dieser Welt, die es ja wirklich in ausreichendem Maße gibt, anschaue: Ich finde nichts, was mich mehr überzeugen, mehr ansprechen und mehr fesseln würde, als die Botschaft und das Evangelium des Jesus von Nazareth, den wir als Jesus Christus bekennen.
 
Wohin sollten wir denn sonst gehen als uns an ihn und an sein Wort halten? Wie und was denn anderes leben?
 
Wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes!“.
 
Amen
 
Harald Fischer