20. August 2006, 20. Sonntag im Jahreskreis
Joh 6, 51 - 58
 
 
Liebe Gemeinde!
 
„Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch! Da stritten die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ (6,51f.)
 
Im Evangelium werden uns heute aus dem Mund Jesu harte, provozierende, zunächst auch unverständliche Worte zugemutet.
 
Über einen Zeitraum von insgesamt fünf Wochen wird in den Sonntagsevangelien das Evangelium des Markus unterbrochen und wir hören die sehr lange Brotrede des Johannesevangeliums im sechsten Kapitel. Ich möchte Ihnen sehr empfehlen, diese Rede einmal im Zusammenhang zu lesen und zu meditieren.
 
Ausgangspunkt ist „die Speisung der 5000“. Auf Initiative eines kleinen Jungen, der sich nicht scheute, seine mitgebrachten fünf Brote und zwei Fische zu teilen, waren über 5000 Menschen satt geworden, nachdem sie einen ganzen Tag lang bei Jesus geblieben waren und ihm zugehört hatten. Johannes erzählt, daß am nächsten Tag eine Gruppe der Menschen, die bei dieser Begebenheit anwesend waren, Jesus gefolgt waren. Er spricht sie an und sagt zu ihnen: „Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid!“ Diese Worte klingen nicht sehr einladend, um eine Begegnung, einen Dialog zu eröffnen. Sie sind eher eine Zurechtweisung. Die Menschen werden gleich damit konfrontiert, daß sie das Wesentliche am Vortrag nicht erkannt haben. Man kann offensichtlich etwas beeindruckendes erleben und dennoch am Entscheidenden vorbei gehen.
 
In der folgenden Brotrede überliefert uns Johannes eine richtige Eucharistiekatechese. Das, was in den anderen Evangelien beim letzten Abendmahl sichtbar wird, erzählt Johannes hier. Er erläutert sein Eucharistieverständnis in dieser Brotrede.
 
Hintergrund des ganzen Johannesevangeliums ist die Auseinandersetzung mit der Gnosis, einer religiöse Bewegung, die zeitgleich mit der jungen Kirche aufkam und den ersten Christen große Schwierigkeiten machte. Zentrum der gnostischen Lehre war, daß man durch innere Erkenntnis selber das Heil erlangen kann. Ähnlich mancher Spielarten der heutigen esoterischen Bewegung ging es der Gnosis darum, in der Schau auf mich selber Erlösung zu finden.
 
Dagegen betont Johannes in seinem Evangelium: „Das Heil kommt vom Himmel“ (Joh 6,32), d.h. von  Gott! Im Gegensatz zur gnostischen Erkenntnislehre lenkt Johannes den Blick auf Gott. Er verweist auf den Gott, der in diese Welt eintritt. So hat er schon sein Evangelium begonnen: „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1.14)
 
Diesen Gedanken führt Johannes jetzt weiter und läßt Jesus sagen: „Ich bin das  Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, braucht nie mehr zu hungern“ (6,35). Gott zeigt sich in dieser Welt: konkret, geschichtlich, wirklich.
 
„Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch“ (53). Mit diesen Worten, die zunächst so schockierend klingen, will Johannes seine Überzeugung zum Ausdruck bringen: Erlösung gibt es nicht in Gedanken, nicht als rein gedachte Wirklichkeit. Er verweist auf diese Welt, die oft so anstößig und befremdlich ist. Er verweist auf einen Menschen, auf die Botschaft Jesu von Nazareth, auf ihn, auf sein Leben.
 
Ihn „essen“, das bedeutet, ihn sich einzuverleiben, ihn zum inneren Antrieb, zum Motor des eigenen Handelns zu machen, ganz und gar aus der Wirklichkeit zu leben, die Jesus bestimmt hat. In ihm begegnet das  Wort Gottes, ja er ist das Wort Gottes.
 
Mein Leib, mein Blut! Das bedeutet: Ich bin ganz für euch da. Gott ist ganz für euch da. Gott - anstößig nah.
 
Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben? Man kann diese Frage zum einen als theologische Verständnisfrage hören. Man kann sie aber auch verstehen als Versuch, sich Gott vom Leib zu halten, ihn nicht zu nahe kommen zu lassen. Denn sein Fleisch essen und sein Blut trinken - das würde bedeuten, ganz eins zu werden mit dem Willen Gottes und das eigene Leben ganz von Gott her bestimmen zu lassen, so wie Jesus ganz eins mit Gottes Willen geworden ist.
 
Sind wir für diese Eucharistiekatechese, für das Hören dieses unbedingten Anspruchs des Glaubens schon offen?
 
Am nächsten Sonntag werden wir hören, wie viele seiner Jünger auf diese Botschaft mit Ablehnung reagieren: „Was er sagt ist unerträglich. Und sie wanderten von da ab nicht mehr mit ihm“ (V 60 f:).
 
Welche Antwort werden wir eben - am nächsten Sonntag und noch wichtiger: in unserem Leben?
 
Amen
 
Harald Fischer