10. Juli, 15. Sonntag im Jahreskreis
Mt 13,1-9


Liebe Gemeinde!

Jesus ist ein großer Redner gewesen. Er hat seine Predigten oft in Erzählungen, in Gleichnisse gekleidet, die die Menschen fasziniert haben und die ihre Lebendigkeit über die Zeiten hinweg erhalten haben.
Seine Botschaft war nie trockene Theologie, dogmatische Vorlesungen. Er hat Bilder und Vergleiche, gebraucht, die so vielgestaltig sind, dass man sie von vielen Seiten anschauen, meditieren, betrachten kann und immer wieder etwas Neues für das eigene Leben entdeckt.
Jesus nimmt die Vorlagen für seine Gleichnisse aus dem Alltag, aus dem konkreten Leben der Menschen und hilft damit zu verstehen: Ja, die Botschaft Gottes, die Botschaft von seiner Gegenwart hat etwas mit meinem Leben, mit meinem Alltag zu tun.
Im Evangelium des heutigen Tages hören wir das erste von insgesamt sieben verschiedenen Gleichnissen, in denen es immer um dasselbe geht: nämlich um die Gegenwart des Gottesreiches, um seine Ausbreitung, um sein Wachsen in dieser Welt.

"Ein Sämann ging aufs Feld um zu säen...“ (V.3)
Eine Alltagserfahrung. Ganz banal. Ganz gewöhnlich. Es gehört zu einem Sämann, dass er säen geht. Das macht seine Identität aus. Was soll ein Sämann denn sonst tun, wenn nicht säen.
Diese Alltagserfahrung greift Jesus auf für eines seiner großen Gleichnisse.

„Ein Sämann ging aufs Feld um zu säen...“
Wenn man diesen Satz, diese Tätigkeit betrachtet, über sie nachdenkt, sie erwägt, dann fällt auf, dass dieser Sämann offensichtlich mit einer großen Sinnhaftigkeit lebt und unverdrossen seine Arbeit verrichtet. So ist sein Leben. Er ist Sämann - und tut seine Arbeit.
Er geht aufs. Feld. Es ist offensichtlich nicht eines, das er sich selbst ausgesucht hätte, sondern dass ihm zugefallen, vielleicht zugedacht gewesen war. Es ist kein Feld, dass besonders gut gewesen wäre. Sofort wird erzählt, dass es harte, unfruchtbare Stellen auf diesem Feld gibt und es von vornherein klar ist, dass viel Mühe vergeblich bleiben wird. Auf diesem Feld gibt es Dornen, Gestrüpp, Steine, dünnes Erdreich. Vieles wird nicht gelingen.
Aber es wird nichts von einem möglichen Neid des Sämanns erzählt. Er schaut nicht auf andere, vielleicht benachbarte Felder, die ihm attraktiver erscheinen und die möglicherweise leichter zu bearbeiten wären, größere Frucht bringen würden.
Nein, er bearbeitet sein Feld. Mag es auch distelig und dornig sein: Es macht nichts, denn genau dieses Feld ist Seins.
Jesus stellt uns hier einen Sämann vor Augen, der JA sagt: Zu seiner Aufgabe und zu dem Ort, an den er gestellt ist.
Jesus erzählt ein Gleichnis. Man kann annehmen, dass viele der Zuhörer Jesu diese Worte sofort in Vergleich zu ihrem eigenen Leben gesetzt haben. Vielleicht ergeht es Ihnen auch so, wenn Sie diese Worte hören und innerlich mitgehen. Vielleicht sehen Sie den Acker Ihres eigene Lebens vor Ihrem inneren Auge. Jeder hat ja seinen eigenen Ort, sein eigenes Leben, wo die Saat ausgesät wird, wo die persönlichen Mühen und Energien investiert werden: Die Familie, der Arbeitsplatz, Beziehungen oder das eigene Leben, die eigene Persönlichkeit.
Jesus stellt in diesem Gleichnis über das Himmelreich jemanden vor Augen, der JA zu den Verhältnissen und zu der Aufgabe, die ihm zugefallen und übertragen ist.

„Ein Sämann ging aufs Feld um zu säen...“
Der Sämann vertraut die Saat dem Boden an, einfach so, ohne zu wissen, was daraus wird. Das zu überprüfen ist nicht seine Aufgabe. Er hat einfach nur zu säen.
Aus dieser Haltung spricht - aus der langjährigen Erfahrung des Sämanns heraus begründet - eine unglaubliche Gelassenheit, ein großes Vertrauen. Der Sämann arbeitet ohne Druck und ohne Erfolgszwang. 
Jesus stiftet mit diesem Bild zu einem Leben aus einem tiefen Optimismus an. Für ihn ist das natürlich aus dem grenzenlosen Gottvertrauen gespeist. Jesus will sichtbar machen: Wir haben uns das Leben nicht verdient. Mit all unserer Anstrengung können wir das Leben nicht machen. Es ist uns geschenkt. Wir sind immer schon Menschen, die sich Gott verdanken. Und wenn wir auf dieses geschenkte Leben schauen, dürfen wir von Neuem feststellen: Die Saat wächst von selbst und sie bringt Frucht. Den Erfolg unseres Lebens kann wir nicht selbst machen. Bei aller Anstrengung und auch entgegen der allgemeinen Lebensregel: Es wird einem nichts geschenkt gilt: Das entscheidende ist uns geschenkt.
Erfolg und Leistung, die Haltung, die dem Erfolg vorausgesetzt scheint, sind keine Worte der Bibel. Beide Begriffe finden wir nicht im Munde Jesu. Er spricht immer wieder von der Frucht. Die Frucht aber kommt von selber, ganz selbstverständlich. Ein Kirschbaum bringt von selbst seine Frucht. Das gehört zu ihm und entspricht seinem Wesen. Dazu braucht es keine Anstrengung. Wenn man allerdings an einem Kirschbaum Erdbeeren erwarten wollte, sieht man sich getäuscht und kann mit aller Anstrengung diesen Erfolg nicht herbeiführen.
Die Frucht kann nicht gemacht, sie kann nur bezeugt werden.
Mit dem Gleichnis vom Sämann deutet Jesus seine eigene Tätigkeit. Er selber sieht sich als der Sämann, der mit einer großen Fraglosigkeit und einem unerschütterlichen Optimismus das Wort der Verkündigung in diese Welt streut. Er spricht den Menschen das Wort der Liebe Gottes zu, die Botschaft von Seiner Gegenwart inmitten unseres Alltags. Er tut das fraglos, selbstverständlich. Und er vertraut darauf, dass dieses Wort zur rechten Zeit seine Frucht hervorbringen wird.
Natürlich stellt Jesus mit diesem Gleichnis seinen Zuhörern, also auch uns, die Frage, auf welchen Boden das Wort der Verkündigung bei uns fällt. Wir sollen uns selber fragen, ob wir verschlossener, trockener Boden oder offenes und fruchtbares Erdreich sind, auf dem das Wort sich entfalten kann und Frucht bringt.
Aber Jesus spricht uns auch Mut zu. Wie bei dem Sämann genügt es, wenn wir unsere Aufgabe erfüllen, wenn wir die Saat, die uns zur Verfügung steht, nutzen und ausstreuen - auf dem Boden, der nun einmal unser Leben ist und zu unserem Leben gehört. Alles andere dürfen wir getrost dem Herrn der Ernte überlassen und darauf vertrauen, dass etwas von all unserem Mühen Frucht bringen wird: dreißigfach, sechzigfach oder gar hundertfach.
Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Amen.

Harald Fischer