28. März 2005, Ostermontag 2005
Lk 24, 13 – 35


Liebe Gemeinde!

Eine ergreifende Geschichte ist das, diese Erzählung der Jünger, die auf dem Weg sind. 
Es ist ein harter, illusionsloser Weg, den sie da gehen müssen. Es ist ein Weg der gekreuzigten Hoffnung. Sie wollen weg vom Ort der Katastrophe, weg von Jerusalem, irgendwohin.
Für sie ist noch nicht Ostern. Nach dem Osterereignis sind sie noch vor Ostern. Sie haben aufgegeben, gehen nach Hause. Geschlagene Leute.
Die Geschichte mit Jesus ist für sie aus und vorbei.
Sie wissen von ihm zu erzählen. Sie sagen:„Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk. Doch unsere ... Führer haben ihn ans Kreuz schlagen lassen.“ (Lk 24, 19 f.). 
Das ist der Schlag. Sie können nicht begreifen, wie Gott seinen Propheten so hat scheitern lassen. Sie wissen viel, fast alles, was man von Jesus erzählen kann, und dennoch haben sie ihn noch nicht verstanden, ist ihnen noch nicht aufgegangen, wer er wirklich ist! Sie kennen nur ihr eigenes Bild, ihre Vorstellungen, ihre Hoffnungen.
„Wir aber hatten gehofft...“. In diesem resignierten Seufzer ist ihre abgrundtiefe Enttäuschung eindrucksvoll zusammengefasst. Dieser Satz erzählt die Geschichte einer gescheiterten Hoffnung. Er war halt nicht das, was sie erwartet hatten.

Liebe Gemeinde!

Die Emmauserzählung ist eine Lehrerzählung. Eine Lehrerzählung, wie Menschen zum Glauben kommen. Der Glaube an Jesus Christus ist nicht einfach die Erfüllung eigener Phantasien. Es ist ja sehr verständlich, dass Menschen sich ihre eigenen Bilder machen, dass sie ihre – oft sehr konkreten, manchmal aber auch kleinen -Hoffnungen erfüllt sehen wollen. Aber dafür ist Gott nicht da. Er ist nicht der Erfüllungsgehilfe unserer eigenen Vorstellungen.
Kreuz und Auferstehung machen deutlich: Damit Gott in seiner Wahrheit zum Leuchten kommen kann, muß erst etwas anderes sterben. Das ist oft schmerzlich, aber im Durchgang durch das Dunkel wird ein Größeres geschenkt, das wir mit unseren Vorstellungen und Wünschen nicht planen und nicht machen können.
Diesen Weg mussten die Jünger von Emmaus gehen. Diesen Weg müssen viele Menschen heute gehen, wenn sie den Weg zum Glauben finden wollen.
Und darum geht es an Ostern: An den Rändern, an den Abgründen des eigenen Lebens, der eigenen Möglichkeiten, auch der eigenen Vorstellungen zu entdecken, dass Neues  geschenkt wird, dass Neues „von außen“, von Gott geschenkt wird. Da, wo unsere Möglichkeiten vorbei sind, kann sich Gottes Wirken ereignen. Anders, als wir es manchmal wünschen, aber so, dass das Leben sich durchsetzt und dass seine Verheißung sich erfüllt.
Ostern ist das Fest der leeren Hände, die von Gott gefüllt werden.
Die Emmausjünger erleben das in verschiedenen Schritten.
Zunächst stellen sie sich ihrer eigenen Enttäuschung. Sie benennen ihre Angst, ihre Trauer. Sie erfahren darin eine Weggemeinschaft, in der sie mit ihren gescheiterten Hoffnungen wahrgenommen werden. In dem Gespräch der beiden zeigt sich das Modell einer Gemeinde, das Modell von Kirche.
Kirche im Geist Jesu Christi ist da, wo Menschen sich gegenseitig mitteilen können, was sie in ihrem Leben belastet, was sie enttäuscht, wo sie mit ihrem Leben nicht mehr zurechtkommen. Und wo sie in diesem Erzählen ernst genommen werden.
In dieser Weg- und Erzählgemeinschaft ereignet sich – aus der alten, gemeinsamen Erfahrung mit Jesus - für die Jünger etwas Neues. Sie erinnern sich an seine Handlungen, an seine Worte, an die Begegnungen mit Menschen. Es werden Erinnerungen lebendig an das, was einmal getragen hat. Erfahrungen werden erneuert, verlebendigt und in einer neuen Tiefe und Wahrheit erkannt. Und dabei  strahlt auf einmal eine Hoffnung auf, die sie erst im Nachhinein in ihrer Bedeutung erkennen.  „Brannte uns nicht das Herz in der Brust...“ (Lk 24,32) werden die Jünger später in der Erinnerung an diese Momente sagen.
Im gemeinsamen Brotbrechen erkennen sie, dass Gott die Gemeinschaft im Namen Jesu mit seiner realen, bleibenden Gegenwart beschenkt. Das ist Eucharistie: Die feiernde Gemeinschaft von Menschen, die im Namen Jesu verbunden sind. Da zeigt sich real und faßbar die Gegenwart Jesu Christi.

Liebe Gemeinde!

Nichts weniger feiern wir. Die lebendige und wahre Gegenwart Jesu Christi in unserer Mitte. Er selber will uns den Sinn der Schrift erschließen. Er selber ist mit uns auf dem Weg – jetzt, in dieser Stunde. Mit all dem, was vielleicht in unserem Leben schwer und voller Enttäuschungen ist, will er uns seine Gegenwart zeigen. Er bricht uns das Brot der Eucharistie und er schenkt sich in unsere Hände.
Gebe Gott, dass wir – wie die Jünger – seine Gegenwart feiern und erfahren dürfen mit der Freude des Herzens: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als wir die Wahrheit seiner Liebe erkannten!“

Amen.

Harald Fischer