11. April 2004, Ostern
Lk 24,1-12

Liebe Gemeinde!

Kann man das Leiden feiern, wie wir es in unseren Kirchen in den vergangenen Tagen getan haben?
Leiden gibt es – bis zum Überdruß. Man kann der Leiden der Menschen gedenken, man kann es auch politisch nutzen, es sozusagen instrumentalisieren. Aber kann man es feiern?
Wir haben es getan. Die Christen wagen sogar zu behaupten, dass uns das Heil aus einem Leiden und einem Sterben zukommt. Das Christentum ist die einzige Religion, die eine solche Behauptung aufstellt.
Wir feiern das Leiden im Blick auf einen konkreten Menschen, der es erlebt und durchlitten hat. Jesus von Nazareth !
Sein Leiden und Sterben bildet sogar die Herzmitte unseres Glaubens und unserer Verkündigung. In jeder Messfeier beten wir: "Deinen Tod o Herr verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir bis du kommst in Herrlichkeit!"
Im Blick auf Jesus von Nazareth, der den Tod erlitten hat und ihn überwunden hat, feiern wir sein Leiden als Hoffnung in dieser Welt. Wir können den Tod Jesu und seine Passion feiern, weil sich uns in diesem Leiden eine Hand hinstreckt, die nicht unsere ist. In diesem Leiden und in diesem Tod glauben wir Gott selber gegenwärtig, die durch Jesus von Nazareth den Tod überwunden hat.
Das macht unseren Glauben aus: sein Tod und der Glaube an seine Auferstehung. Heute Nacht feiern wir diesen Glauben und bezeugen ihn gleichzeitig in dieser Welt.
Aus einem Theater wird eine Anekdote überliefert, nach der ein Schauspieler ziemlich angeheitert auf die Bühne gestolpert kam. Er fand seinen Text nicht und die Souffleuse bemühte sich redlich, ihm durch das Stichwort auf die Sprünge zu helfen. Nach mehreren Versuchen wendet sich der Schauspieler verärgert der Souffleuse zu und ruft: "Keine Einzelheiten bitte! Welches Stück?"
Keine Einzelheiten bitte! Welches Stück? Im Blick auf die Kirche und unsere Gemeinde können wir uns natürlich immer wieder fragen in welchen Strukturen wir leben, wie wir Gemeinde gestalten, wie wir zu dieser oder jener Frage stehen.
Aber in der Tat: das sind Einzelheiten, die manchmal den Blick auf das Ganze verhindern. Um welches "Gesamtstück" geht es, auf das wir schauen und von dem wir leben?
"Deinen Tod o Herr verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir bis du kommst in Herrlichkeit!"
Wir vertrauen darauf, dass Gott Jesus von Nazareth durch das Leiden erlöst hat. Dadurch wird er für uns zum Gesalbten, zum Christus, der das Heil Gottes sichtbar macht.
Dadurch haben wir einen anderen Blick
auf IHN
auf das Leben in dieser Welt
und auch auf uns selber.

Durch dieses Leiden wissen wir jetzt:
Gott weint mit den Trauernden, er kennt die Weinenden.
In Jesus haben wir gesehen:
Er kennt die Not.
Er bleibt nicht unberührt.
Es ist schrecklich, was in dieser Welt, was in unserem Leben alles passiert.
Und dennoch hören wir heute Nacht die lebensschenkende Frage:
Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
Wir hören die Aufforderung:
Heraus!
Das Grab ist kein Ort für Christus – und es ist kein Ort für uns!
Heraus!
Was suchst du da?
Das ist der Ruf an uns in aller Resignation, Angst und Verzweiflung.
Liebe Gemeinde!
Wir feiern heute Nacht das Leben – gegen den Tod.
Wir feiern: Gottes Liebe ist stärker als der Tod.
Wenn die Gräber in unserem Leben auch bleiben – sie sind leer!

Amen.

Harald Fischer