Osternacht 19. 04. 2003
Mk 16, 1-7


Liebe Gemeinde!

Die Ostererzählung des Markusevangeliums zeigen uns kein happy-end.
 
Da ist nur ein Bote, der den Frauen etwas zusagt, was sie selber aber zunächst nicht verstehen können und was sie auch nicht wirklich im Inneren erreicht: "Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden. Er ist nicht hier!".
 
Zunächst ist das, was sie da hören nichts anderes als schöne Worte. Aber es sind keine Erfahrungen damit verbunden. Ihn selber erleben sie nicht.
 
Das Evangelium drückt hier durchaus die Situation vieler Menschen auch in unserer Zeit aus. Vielleicht ist es auch die Situation vieler, die jetzt hier sind: "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!". Die Worte des Boten schließen: "Geht nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen!".
 
Das ist kein sehr österliches Evangelium. Nichts von Osterfreude, kein Halleluja auf den Lippen dieser Menschen.
 
Und die Liturgie der Kirche geht noch recht behutsam mit uns um, indem sie das Evangelium hier abbricht. Wenn man weiter liest heißt es nämlich: "Da verließen sie das Grab und flohen, denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemanden etwas davon, denn sie fürchteten sich!"
 
Schrecken und Entsetzen, das sind die ersten Reaktionen am Grab am Ostermorgen.
 
Als sie zum Grab gingen, war ihre Frage: "Wer könnte uns den Stein weg wälzen?" In ihrer Trauer war schon alles festgelegt. Sie beschäftigen sich nur noch mit dem Tod ihrer Hoffnungen: Aus und vorbei. Was sollten sie auch noch hoffen? Worauf sie sich eingelassen hatten: es war vergebens, es ist tot, begraben. Vom Stein verschlossen. Und so stehen sie voll Trauer am Grab ihrer Hoffnungen.
 
"Wer könnte uns den Stein weg wälzen?"
 
Diese Frage kennen auch viele Menschen heute. So viel lastet oft wie ein Stein auf dem Leben: enttäuschte Hoffnungen. Ängste, Einsamkeit, Krankheit. Oft ist die Frage wirklich verständlich: Was soll es denn da noch zu hoffen geben? Wenn die eigenen Lebenshoffnungen, ja, das eigene Leben selbst begraben ist.
 
Hier im Evangelium ergeht aber angesichts dieser Lebenserfahrung eine andere Kunde:
 
Das Grab ist offen!
 
Der Stein ist weg!
 
Er, der gekreuzigt wurde, hat das Leben.
 
Wo das Schlimmste zu befürchten war, erwächst neue Hoffnung.
 
Darum kommen wir zusammen, um diese Botschaft, diese Hoffnung von neuem zu hören. Um von ihr Kraft zu beziehen für unser Leben. Es ist ein Wort durchaus gegen die Erfahrungen dieser Welt.
 
Diese Botschaft, diese Hoffnung ist nicht auf ein Verdienst der Frauen zurück zu führen. Es ist ein Geschenk, ihnen unverhofft gegeben.
 
Allerdings hören wir es in diesem Evangelium an dieser Stelle zunächst "nur" als Verheißung. Sie begegnet uns als ein Wort, das die Frauen aufschließen soll, neue Erfahrungen zu machen und ihre Welt nicht nur mit den Augen der Hoffnungslosigkeit anzuschauen.
 
Ich glaube, dass der Evangelist uns damit sagen will: So zeigt sich ein Weg, um Auferstehungserfahrungen zu machen – auch heute.
 
Man muß dem Hoffnungswort begegnen, einer Botschaft, die die Kraft hat, über die Erfahrung des Dunkels hinauszureichen. Man muß der Botschaft begegnen, dass der Tod, das das Grab nicht das Letzte ist.
 
Und das Evangelium verkündet uns in dem Bild des Engels, dass diese Botschaft eine göttliche Wirklichkeit ist. Ihr zu trauen, bedeutet, Gott selber zu trauen.
 
Wir leben mit einer Verheißung – mit nicht mehr, aber auch nicht mit weniger. Wir leben mit einer Hoffnung. Wie die Jüngerinnen und die Jünger Jesu sind wir herausgefordert, mit dieser Verheißung umzugehen. Wir sind auf dem Weg, unsere Welt aus dem Blickwinkel dieser Verheißung sehen und verstehen zu lernen. Ihr zu trauen, das ist die Herausforderung, der wir uns als Einzelner und als Gemeinde immer wieder stellen.
 
Vielleicht erfahren wir es dann wie sie:
Er lebt.
Er ist mitten unter uns.
Auch heute – und hier.

Amen.

Harald Fischer