Fest des Heiligen Stephanus, 2. Weihnachtstag 2002


Liebe Gemeinde!

Na, wie war Ihr Weihnachten?
 
Wenn man diese Frage heute Nachmittag - oder noch besser: Morgen, wenn die Geschäfte wieder offen sind - den Passanten auf der Königsstrasse stellen würde, bekäme man vermutlich Antworten, die sich etwa so anhören könnten: "Och, im großen und ganzen eigentlich ganz gut. Das Festmenü jedenfalls war ausgezeichnet. Etwas viel vielleicht, aber das kennt man ja von solchen Tagen. Die nächste Zeit heißt es dann halt ein bisschen mehr aufpassen. Mit den Geschenken, das war zwar vorher durchaus stressig und durchaus auch lästig. Aber am Heilig Abend hat es dann doch Freude gemacht. Es war einfach schön, zu sehen, wie die Geschenke angekommen sind. Ich hab einiges bekommen, was ich nicht so gut gebrauchen kann. Aber dafür sind ja jetzt die Tage zwischen den Jahren da. Da kann man noch mal in Ruhe losgehen und umtauschen. Mit der Familie ging es auch ganz gut, jedenfalls bis zur "Stillen Nacht". Die Kinder sind dann losgegangen zu ihrer "Schrillen Nacht". Ist ja auch nicht schlecht, dass die Discos Heilig Abend jetzt zum Teil geöffnet haben. Da entzerrt sich das in der Familie ein wenig. Aber jetzt reicht es auch mit den Festtagen. Nichts ist ja so anstrengend, wie eine Reihe guter Tage. Es wird Zeit, dass der Alltag wieder so langsam zu seinem Recht kommt!"
 
So etwa könnte sich Aussagen in diesen Tagen anhören...
 
In der Liturgie ist es nicht so. Sie läßt uns nicht in "seliger Ruh". Nach dem festlichen weiß der Gewänder, das wir am gestrigen Abend gesehen haben, begegnet uns heute das blutige rot. Die Texte zeigen uns den Ernstfall von Weihnachten. Sie reden von schwersten Konflikten, von unüberbrückbaren Gegensätzen, von Ausschreitungen bis hin zum Lynchmord.
 
Es bleibt kein Zweifel: Wer sich auf das Kind in der Krippe einläßt, kann nicht bei dem Fest stehen bleiben.
 
Es ist gut, an diesen Tagen Kraft zu sammeln. Es ist gut, Kraft beim Feiern, beim Fest zu sammeln - aber diese Kraft wird gebraucht, um für den Glauben einzustehen. Schon der zweite Weihnachtsfeiertag fordert uns heraus. Der christliche Glaube hat nicht nur eine persönliche, individuelle Bedeutung. Es gehört zu ihm, sich zu bekennen, sich zu dem Kind zu bekennen.
 
Das ist heute unüblich. Jeder soll doch nach seiner Facon selig werden. Das bedeutet auch gleichzeitig: alles ist richtig. Alles ist gültig. Und damit wird auch alles gleich - gültig, gleichgültig. Ob ich Christ bin oder nicht, wie ich meinen Glauben verstehe, oder wie du ihn verstehst, ob du zu einer Kirche gehörst, zu welcher Konfession auch immer - alles ist egal.
 
Stephanus hat das anders gesehen. Er hat seine Sicht klar und deutlich gesagt. Und er ist für seine Meinung eingestanden. Dazu gehört Mut!
 
Sich heute zu einer Meinung zu bekennen und dann auch noch zu einer religiösen Thematik, sich sogar als Christ zu outen, das ist schwer. Stephanus gibt eine Richtung an. Er steht zu der Wahrheit, die er erkannt hat. Er vertritt seine Meinung, nicht intolerant oder gar gewalttätig. Aber er sagt deutlich und klar: "Ich sehe den Himmel offen..." Er bekennt sich zu seiner Erfahrung mit Gott.
 
Wenn wir an der Krippe stehen, stellt sich für uns die Frage: Wofür stehe ich ein in meinem Leben? Welche Wahrheit kann ich bezeugen? Es gibt das schöne Wort: Wer nichts hat, wofür er sterben hat, hat auch nichts wofür er leben kann.
 
Kann ich die Wahrheit Gottes bezeugen? Vielleicht Zeuge sein für sein Wort, auf das ich mich einlasse? Oder stehe ich sogar für seine Kirche, zu der ich gehöre? All das nicht aufdringlich, sektiererisch, aber klar, selbstbewußt und unverkrampft?
 
Vielleicht halten sich die Leute dann wie bei Stephanus "die Ohren zu", vielleicht lächeln sie über das, was ich zu sagen habe - ironisch, abfällig. Vielleicht reagieren sie aber insgeheim auch bewundernd: da ist einer, der einen Standpunkt hat und der für etwas einsteht!
 
Voraussetzung für so ein Bekenntnis ist, das ich mich von Gottes Wirklichkeit ergreifen lasse und das ich eine eigene Erfahrung gemacht habe, für die ich einstehen kann,. Die ich bezeugen kann.
 
Wenn ich aus dieser Wirklichkeit heraus Weihnachten feiere, wenn Gott, wenn das Kind von der Krippe in mir lebendig ist, dann kann die Frage: "Na, wie war Ihr Weihnachten?" noch mal etwas ganz anderes in mir zum klingen bringen: mein Bekenntnis zu IHM.

Amen.

Harald Fischer