Ostersonntag 31.03.2002
Mt 28,1-10


Liebe Gemeinde!

Christus ist auferstanden!

Ja, er ist wahrhaft auferstanden!

Der Osterjubel dieser Nacht erfüllt die Welt und er verändert die Welt.
In dieser Nacht wird deutlich: Sie ist erfüllt von einem Leben, das mächtiger ist als jeder Tod.
Ostern feiern wir als Fest der Auferstehung. Es ist nicht das Fest des Osterhasen. Diese banale Wahrheit ist in unserer Welt nicht mehr selbstverständlich. Ostern feiern wir als Fest der Hoffnung gegen den Tod.
 
Den Tod erleben wir alle. Einmal den biologischen Tod im Abschied von Menschen, die uns lieb geworden waren und die von uns gegangen sind. Aber wir erleben ihn auch als Tod in unserem eigen Leben. Wir erleben ihn bei uns selbst:
In der inneren Erstarrung.
Wir erleben ihn als Tod in uns selbst und in unseren Beziehungen.
Wir erleben ihn in der heute so weit verbreiteten Stimmung diffuser Depressivität in so vielen verschiedenen Situationen unseres Lebens.
 
Ostern feiern wir gegen die Angst, dass das Leben im Tod enden könnte. Gegen die weit verbreitet Meinung, wir könnten nichts über das Jenseits des Todes sagen, verkündet uns das Osterfest: Wir erstehen mit Christus zu einem neuen Leben, ja sogar zum ewigen Leben in der Herrlichkeit Gottes.
 
Auferstehung heißt, dass Gott und die Liebe stärker sind als der Tod. Wir werden im Tod nicht aus der Liebe Gottes herausfallen. Seine Liebe wird uns auch jenseits des Todes erwarten und unsere tiefste Sehnsucht erfüllen. Das gilt für die Ewigkeit und es gilt auch für unser Leben heute.
 
In den Evangelien hören wir, wie Menschen zum Glauben an die Auferstehung kommen. Alle vier Evangelisten erzählen übereinstimmend, dass es die Frauen sind, die sich als erste auf den Weg machen. Sie gehen zum Grab um es zu sehen. Das griechische Wort dafür heißt eigentlich wörtlich übersetzt: meditieren. Die Frauen gehen zum Grab um es zu meditieren.
 
Sie haben die innere Kraft, sich dem Tod, der Trauer zu stellen und diese schmerzhaften Gefühle auszuhalten. Die Männer – zumindest erzählen die Evangelien es so und mir scheint, dass es heute nicht viel anders ist – die Männer weichen diesen Themen eher aus.
 
Aber es ist wohl so, dass man Auferstehung in ihrer wirklichen Tiefe und Bedeutung nur verstehen kann, wenn man auch die Trauer und den Tod zuläßt, sie wahrnimmt und auch aushält.
 
Die Frauen, so erzählt der Evangelist Matthäus, schauen auf das Grab. Sie versuchen, den Sinn des Geschehens zu verstehen und seine Bedeutung für ihr Leben zu erfassen. Und während sie dasitzen, meditieren und nachdenken – so heißt es – ereignet sich ein Erdbeben.
 
Die Frauen erleben die Auferstehung mit – aber nur ihre Außenseite. Das eigentliche Geheimnis bleibt unsichtbar und ist nicht zu fassen. Es ist eine innere Erfahrung, die sich nur im Glauben ergreifen läßt.
 
Mt. Beschreibt die Auswirkung der Auferstehung Jesu in Bildern.
 
Das Bild des Erdbebens macht deutlich: Wenn Christus in mir aufersteht, d.h. wenn ich zum Glauben an seine lebendige Gegenwart in meinem Leben komme, dann kommt etwas in Bewegung. Dann gibt es möglicherweise ein richtiges "Erdbeben" in mir: Verkrustungen werden aufgebrochen, damit sich das Leben Bahn brechen kann - gegen den Tod. In der Auferstehung Jesu wird sichtbar, dass Gott die scheinbar unverrückbaren Grundfeste dieser Welt, dass er die Maßstäbe dieser Welt zum beben bringt und das möglich ist, was vorher unmöglich erschien.
 
Das zweite Bild redet vom Engel. Ein Engel kommt vom Himmel herab und tritt an das Grab. Das bedeutet, dass in der Auferstehung sichtbar wird: Über mir öffnet sich der Himmel. Mir begegnet ein Bote Gottes, der mir vom Leben kündet. Auferstehung ist ein Widerfahrnis, etwas, das von außen auf mich zukommt, etwas, was mir begegnet. Ich kann diese Wirklichkeit nicht selbst schaffen. Uns hier in der Kirche begegnet dieses Widerfahrnis heute im Wort der Verkündigung.
 
Der Stein der weggewälzt wird ist ein Bild für alles, was mich am Leben hindert, was mich blockiert und nicht nach außen treten läßt, was mir Beziehung erschwert oder gar verunmöglicht.
 
Die Auswirkung der Auferstehungserfahrung schildert das Evangelium in den Grabwächtern, die zittern und wie tot zu Boden fallen. Ja, es gibt innere Wächter in uns, die darüber wachen, das alles beim Alten bleibt, dass ich nicht aufstehe aus den Gräbern der Mutlosigkeit, der Resignation und der Enttäuschung. Das sind die alten Lebensmuster, die sich bei uns eingeprägt haben und die eine Weiterentwicklung in unserem Leben verhindern wollen.
 
Wenn der Engel Gottes an mein Grab tritt, dann sind sie entmachtet. Sie sind wie tot. Sie können meine Auferstehung nicht verhindern.
 
Die Auferstehung ist aber nicht nur eine individuelle Erfahrung, die mich allein in meiner Lebenswirklichkeit betreffen würde. Sie ist mit einer Sendung verbunden: "Geht dorthin, wo noch der Tod regiert, wo Hoffnungslosigkeit ist."
 
Die Kraft der Auferstehungserfahrung erweist sich im persönlichen Alltag, dort, wo wir leben. Die Frauen werden nach Galiläa geschickt. Das ist der Ort ihres Lebens. Nur da, wo ich lebe, bewährt sich der Glaube wirklich.
 
Die Frauen sollen nicht nur den Jüngern damals sondern auch uns heute verkünden:
Christus ist wahrhaft auferstanden und auch du wirst im Tode auferstehen!
 
Vielleicht begegnet uns heute in dieser Stunde Christus selber, wie er damals den Frauen begegnet ist. Uns will er heute begegnen im Wort, in unserer Gemeinschaft, im Sakrament der Eucharistie. Vielleicht sagt er uns, vielleicht sagt er Ihnen: "Sei ohne Angst! Auch du wirst im Tode auferstehen – aus dem, den du heute erlebst und aus dem, den du an deinem letzten Erdentag erfährst."
 
Ja, es gibt Hoffnung für uns: durch Gottes Handeln. Das feiern wir heute - am Osterfest.

Amen.

Harald Fischer