19.08.2001
Lk 12,49-53


Liebe Gemeinde!

Was für ein Jesus begegnet uns in diesem Evangelium! So kennen wir ihn gar nicht. Sonst begegnet er uns eher freundlich, friedlich, gütig, liebevoll. Und jetzt hören wir: "Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern Streit"! Und das schreibt uns Lukas auf, der später in der Apostelgeschichte die erste Gemeinde beschreibt als "ein Herz und eine Seele" (Apg.4,32).
 
Aber es ist offensichtlich: Konflikte, Streit gehören dazu – zur Familie, zur Gemeinde, zum Leben. Jesus formuliert keine Forderung, sondern beschreibt zunächst eine Realität. Er nimmt uns knallhart die Illusion, Leben und Glauben könnten ohne Auseinandersetzung gelebt werden. Den Text dieses Evangeliums möchten viele am liebsten überlesen oder zumindest abschwächen. Harmonie, zumal in der Familie, ein Leben ohne Konflikte überhaupt – das steht ganz oben auf unserer Wunschliste.
 
Jesus will uns nicht unser Bedürfnis nach Frieden nehmen oder gar zerstören. Aber dieses Evangelium kann uns auf etwas sehr Wichtiges aufmerksam machen. Wir sind es gewohnt, Konflikte zu meiden, und versuchen oft, "lieb und nett" zu sein, Menschen, die ohne "Ecken und Kanten" sind. Beliebt sein - und das bei möglichst vielen - ist oft das Ziel. Und manchmal neigt man dann zu faulen Kompromissen und wird oberflächlich, weil man dem anderen nicht mehr sagt, was man wirklich denkt. Man weicht dem anderen aus - und wird unehrlich. Im Grunde genommen ist ein solcher "Friede", der sich daraus ergibt, ein Ausdruck der Geringachtung des anderen. Ich sage ihm damit nämlich :"Du bist es mir nicht wert, dass ich mich mit dir auseinandersetze. Du hast recht - und ich meine Ruh!"

Harald Fischer