27. Dezember 2009, Predigt zum 1. Sonntag nach Weihnachten, Fest der Heiligen Familie
Lk 2,41 - 52

Liebe Gemeinde!

Das Kind in der Krippe -  hat Sie’s gefreut? Oder mehr genervt?

Weihnachten, das können ja auch Tage sein, die schwer auszuhalten sind. In manchen Familien knallts gerade bei solchen Gelegenheiten. Da ist dann von idyllischem Weihnachtsfrieden wenig zu spüren.

Werden Erinnerungen an konkrete Situationen in den vergangenen Tagen bei Ihnen wach? Oder vielleicht an entsprechende Situationen in früheren Jahren?

Wir feiern heute das Fest der „heiligen Familie“. Das ist ja auch das Patrozinium unserer Gemeinde. Aber in unseren Familien geht’s in der Regel nicht gerade „heilig“ zu. Wie sollte es auch? Wenn Kinder dabei sind, eigene Lebensräume zu entdecken? Wenn sie versuchen, sich auszuprobieren, Grenzen zu überschreiten, um sie überhaupt erst richtig kennen zu lernen!

Wie kann es in einer Familie „heilig“ zugehen, wenn Menschen so verschiedener Typen, Arten Persönlichkeitsgestalten zusammen leben, wie wir sie in unseren Familien nun mal finden und die einen gemeinsamen Alltag leben und gestalten müssen! Und gerade den nächsten und vertrauten Menschen knallt man oft die eigenen Ungereimtheiten und Unbehrrschtheiten am heftigsten vor den Kopf. Warum? Es ist ein Zeichen von Vertrauen. Wenn Sie oder ich in eine Familie kommen - dann wird man sich in der Regel bemühen, freundlich und höflich zu sein. Erst, wenn ein Vertrautsein da ist, wagt man, sich die Dinge an den Kopf zu werfen, die auch weh tun.  Weil das Vertrauen da ist: der andere hält mich trotzdem aus und geht nicht weg.

Eine „heilige Familie“ gibt’s nicht - in der Realität. Und das war bei Jesus auch nicht anders.

Im heutigen Evangelium haben wir von heftigen Konflikten gehört, die auch in dieser Familie erfahrbar waren. Und es gibt noch viel mehr Situationen in den Evangelien, die von Spannungen in der Heiligen Familie erzählen. Die Beziehung Jesu zu seiner Familie und zu seinen Verwandten war ambivalent und zum Teil äußerst spannungsreich.

Darin spiegeln sich die Erfahrungen, die wir heute auch noch machen: kinder lösen sich. Und zumindest zeitweise kann das ein sehr harter Prozeß in einer Familie sein. Kinder müssen einen eigenen Weg finden und sich abgrenzen. Das gehört zum Familienleben dazu. Immer schon. Aber manchmal ist das sehr schwer auszuhalten.

Müsste man dann nicht konsequenterweise das Fest der Heiligen Familie abschaffen, weil es die gar nicht gibt?

Wir müssen wohl genau umgekehrt den Begriff „heilig“ überdenken. Damit können nicht kitschige Ideale gemeint sein, die mit der Wirklichkeit und unserem Leben nichts zu tun haben.

Wir müssen eher das Ringen umeinander neu wertschätzen, das Ringen in unserem konkreten Leben, menschlich miteinander umzugehen.

Da wird gekocht, gegessen, gefeiert, gelacht und geweint, gestritten, getröstet und gespielt, einander zugehört oder auch nicht, Lärm gemacht, aufgeräumt und in Unordnung gebracht, da werden Kranke gepflegt vom verschnupften Kind manchmal bis zur Begleitung sterbender alter Angehöriger.

Das ist Familie alltäglich und live.

Das hat auch Maria erlebt. Wie ist sie damit umgegangen?

Sie hat die Konflikte ausgehalten. Und: sie hat zu ihrem Kind gehalten, auch, wenn sie ihren Sohn nicht immer verstanden hat. Familien, Kinder sind eben anstrengend.

Einander dennoch wertschätzen, einander im herzen bewahren, dass ist die Heiligkeit des Alltags.

Und diese Heiligkeit kennen wir. Auch in unseren Familien.

Gott sei Dank.

Amen

Harald Fischer