Christmette 2008


Liebe Gemeinde!
 
Das wäre es doch gewesen: wenn wir hätten dabei sein können - damals vor etwa 2000 Jahren bei den Hirten auf freiem Feld.
 
Wenn wir hätten erleben können, wovon wir eben gehört haben! Es muß eine überaus prächtige Kulisse gewesen sein: ein offener Himmel, Engelscharen, ein herrlicher Lobgesang.
 
Wenn wir es mit eigenen Ohren hätten hören können - die Botschaft: „Euch ist heute der Heiland geboren, Christus ist’s der Herr!“
 
Aber vielleicht wären wir auch enttäuscht gewesen, denn der großen Ankündigung folgt ja nichts besonderes. Kinder werden millionenfach geboren. Natürlich: Ein Kind ist immer etwas besonderes - für die Eltern und Familien.  Aber das Zeichen, dass die große Ankündigung wahr ist, dass der Retter, der Heiland der Welt geboren ist, ist doch eigentlich recht banal: ein Kind, in Windeln gewickelt, in einer Krippe .... Was soll das schon beweisen?
 
Die Mitte des Geschehens ist denn auch das Wort, das den eigentlich grauen Alltag deutet. Die Mitte des Evangeliums ist das Wort Gottes, seine Verkündigung. Ohne dieses Wort hätte keiner etwas entdeckt., nicht einmal die Eltern. Das besondere dieser Nacht wäre verborgen geblieben.
 
Erst das Wort offenbart: Gott handelt an dieser Welt. Gott handelt in dieser Welt. Das Göttliche, Gott selber ist Geschenk, Gabe. Gott kommt zu uns und nicht von uns.
 
Wenn wir diese Weihnachtsbotschaft hören, dürfen wir das auch hören auf unseren eigenen Alltag hin, der von dieser Nacht in der gleichen Weise gedeutet, verwandelt wird.
 
Vielleicht ist es das Wunder dieser Nacht, dass sich die Hirten auf dieses Wort einlassen; dass sie sich ihren Alltag deuten lassen, ihn als Gegenwart Gottes deuten lassen.
 
Weihnachten geht es für uns Christen um Gott! Tatsächlich: Es geht für uns zunächst nicht um das kleine Kind in der Krippe. Es geht erst recht nicht um ein idyllisches Familienfest im Kreis unserer Lieben. Das ist eine säkulare Ausdeutung eines religiösen Festes.
 
An Weihnachten geht es um die ungeheure Zusage, dass Gott sich in unserer Welt zeigt - und zwar in einem Kind, einem Säugling in Palästina. Seit dieser Nacht dürfen wir glauben, dass Gott für die Glaubenden sichtbar ist - in dieser Welt. Gott ist in der Welt!
 
Die Hirten glauben dem Wort und machen sich auf den Weg. So erfüllt diese Stunde auch ist: sie stehen aber am Anfang. Zunächst müssen sie sich auf den Weg machen; sie gehen nach Bethlehem „um zu sehen, was der Herr  ihnen sagen ließ.“
 
Zunächst haben sie nur das Wort: „Euch ist heute der Heiland geboren!“
 
Der Heiland: Lange galt dieses Wort als etwas fromm und verkitscht. Aber es ist doch etwas dran. Viele Menschen haben große Sehnsucht nach Heil, nach jemanden, der sie heil macht an Körper und Seele. Wie viel kaputtes Leben gibt es. Und wieviel Sehnsucht nach gelingendem Leben.
 
Noch begegnet uns das Kind in der Krippe. Aber es wird einmal die Sehnsucht der Menschen erkennen und ihnen Mut machen:
 
Du kannst dein Leben ändern!
Zöllner, komm vom Baum herunter, ich will mit dir essen gehen.
Frau, die gesteinigt werden soll, fang noch einmal neu an.
Sterbender Mann: der Tod ist nicht das Ende, sondern bei Gott ist ein neuer Anfang.
 
Dieses Kind wird den Menschen den Augen der Liebe ansehen, jeden, jedes, Sie, mich.
 
Es hat diese Liebe selbst erfahren: von seinen Eltern und auch von Gott, als Gottes Kind. Jesus hat sich Gott vollkommen anvertraut und daraus überzeugende Lebenskraft gewonnen. Und er sagt dir und mir: dein Leben macht Sinn, weil Gott dir Sinn zuspricht. Es kann heil werden, wenn du dich auf das Vertrauen zu Gott einlässt.
 
Deswegen, wegen dieser Botschaft, wird dieses Kind schon jetzt in der Krippe Retter, Heiland genannt.
 
Aber all das wissen die Hirten noch nicht. Sie lassen sich auf einen Weg ein, sie machen einen Anfang und ahnen noch nicht, welche Folgen das hat.
 
Der „holde Knabe im lockigen Haar“ steht für eine Sehnsucht, mehr noch: für eine Verheißung; ja, für Gott selber. Aber sein Leben ist alles andere als romantisch. Wer zur Krippe geht - und dort nicht nur einen kurzen, unverbindlichen Besuch abstattet, dessen Leben wird geprägt, verändert.
 
Die Botschaft der Engel hat es in sich: „Ehre sei Gott und Friede den Menschen auf Erden!“
 
„Ehre sei Gott in der Höhe...!“
 
Gott die Ehre zu geben bedeutet, ihm zu vertrauen. Ja, es tut gut, es schafft Leben, sich Gott anzuvertrauen. Das ist eine Lebenskraft. Da gibt es auch Begeisterung, Freude über Gott, ein Lebensglück, das keine Spaßgesellschaft ersetzen kann.
 
Gott zu ehren, ihm zu vertrauen, bedeutet nicht immer, dass es mir gut geht, aber es ist ein Fundament, das hält und trägt, selbst wenn menschliche Beziehungen brechen und Vertrauen in Menschen enttäuscht wird. Gerade da, wo ich mich frage: wie soll es weitergehen in meinem Leben - finde ich Halt, wenn ich Gott vertraue und ihm auf diese Weise die Ehre gebe.
 
„Ehre sei Gott in der Höhe - und Friede auf Erden den Menschen...“ Ja, diese Botschaft, dieser Wunsch gehört untrennbar zu Weihnachten.
 
Gott will Frieden. Gerade dieser friedlosen Welt wird sein Friede zugesagt: der Welt des Terrors, der Kriege, der Gewalt; der Welt, in der gekämpft wird, immer noch: in Israel und Palästina, im Kongo, in Sudan/Darfur und an so vielen anderen Orten.
 
Gott will Frieden in einer Welt, in der sich Deutschland immer mehr an der Gewalt beteiligt: am Horn von Afrika, vor dem Libanon, um den Irak, in Afghanistan...
 
„Friede den Menschen auf Erden!“ - Es wird ja immer wieder gesagt, die Friedfertigen, die Sanftmütigen, die sich sehnen nach Gerechtigkeit und Frieden, sie seien naiv, verrückt und realpolitisch nicht brauchbar.
 
Aber haben denn die Waffen die Vision einer friedlichen Welt gezeigt? Der Beweis wäre noch anzutreten, das Waffen Frieden schaffen. In der Geschichte haben Waffen immer wieder neue Gewalt gesät.
 
Die Sehnsucht der Menschen aber ist die nach Frieden; der Friede, der mit der Geburt dieses Kindes verheißen ist und für den der erwachsene Jesus bis zu seinem Tod eingetreten ist.
 
Zu solchen Menschen müssten wir werden, wenn wir diese Verheißung der Engel hören; zu Menschen, die eintreten für eine Welt ohne Krieg, in der Kinder wie dieses Kind im Stall aufwachsen können ohne Furcht vor Schüssen; in der eine Generation heranwächst, die weiß, dass Konflikte gelöst werden können - auf gewaltlose Weise.
 
Nein, das ist nicht naiv. Aber es wird Kraft kosten und Geld und Einsatz, mindestens so viel, wie die Militäreinsätze dieser Welt.
 
Weihnachten sagt uns: Wenn wir das tun, handeln wir im Namen Gottes. Gott hat dieser Welt Frieden zugesagt und sich selber für ihn eingesetzt, indem er sich verwundbar macht als neugeborenes Kind und als sterbender Mann am Kreuz.
 
Liebe Gemeinde!
 
Diese Botschaft der Engel, Gottes Weihnachtsbotschaft ist uns zugesagt: heute hier in unserer Gemeinde und auch weltweit. Sie ist eine Herausforderung und ein Trost zugleich:
 
Eine Herausforderung - denn wir dürfen die Welt nicht so lassen, wie sie ist. Wir dürfen die Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben - in unserem persönlichen Leben wo Ehen zerbrechen, Familien streiten, Menschen an den Rand gedrängt werden. Und weltweit, wo es gilt, Feindbilder abzubauen zwischen Völkern und Religionen.
 
Diese Botschaft ist aber auch Trost und Hoffnung, weil wir mit all unseren Fehlern doch Gottes Kinder sind, denen sein Heil zugesagt ist.
 
Deshalb ist dieses Kind in die Welt gekommen, damit wir immer wieder hören: Ehre sei Gott in der Höhe - aber eben auch auf Erden!
 
Wir geben Gott die Ehre, wenn wir dem Kind vertrauen, das geboren ist - uns als Retter und Heiland.
 
Amen
 
Harald Fischer
(mit Gedanken von Margot Käsmann