Friedensgebet 26.01.2003


Liebe Gemeinde!
Liebe Mitchristen!

Wir sind zusammengekommen und wollen für den Frieden beten. Wir tun das, weil der Friede bedroht ist.
 
Die Wahrheit ist konkret. Wenn wir uns um den Frieden sorgen, müssen wir hinschauen, warum der Friede bedroht ist. Und wir müssen die Bedrohung benennen, damit wir wissen, um was es eigentlich geht.
 
Der Friede ist bedroht, bedroht durch Machthaber, die im Begriff sind, ihre Macht zu mißbrauchen.
 
Zunächst müssen wir da Saddam Hussein nennen. Nach allem, was wir von ihm wissen, ist dieser Mensch ein skrupelloser Diktator und Massenmörder. Er hat sein eigenes Volk, Schiiten und Kurden, mit Giftgas bombardiert. Er hat Kuwait um seines eigenen Vorteils willen überfallen. Er hält sein Land unter der Knute einer harten Diktatur. Menschenrechte scheinen ihn nicht zu interessieren Man muß ihn für fähig halten, seinen bisher begangenen Verbrechen noch weitere hinzuzufügen.
 
Allerdings war er in der Anfangszeit seines Machtgewinns protegiert worden, durch die Amerikaner, solange es gegen einen anderen Erzfeind Amerikas, die Ajatollahs des Irans nützlich erschien. Solange erhielt er Geld und Waffen von Amerika und Europa.
 
Es ist notwendig, die Eigeninteressen der beteiligten Gruppen dieses Konfliktes zu benennen, auch die Eigeninteressen Amerikas, auch die Eigeninteressen und die Eigenmächtigkeiten George Bushs zu benennen. Mit Antiamerikanismus hat das nichts zu tun.
 
Nach dem Schock des 11. September geht es Amerika darum, an der eigenen Unverwundbarkeit zu arbeiten. Zur neuen Strategie der Sicherheit gehört, den Feind frühzeitig zu identifizieren und durch vorbeugende, präventive Einsätze auszuschalten. Doch schonende Kriege sind und bleiben eine große Illusion, eine Anmaßung des Menschen, eine besondere Form von Arroganz der Macht. Das "schonende Kriege" nicht möglich sind, haben wir beim Afghanistanfeldzug gesehen. Auch, wenn die Öffentlichkeit nicht mehr wirklich über die Abläufe informiert werden, vermuten die Fachleute, daß in Afghanistan eine um das Vielfache höhere Zahl von Unschuldigen ums Leben kam als beim Angriff vom 11. September. Vermutlich gab es Zehntausende Zivilopfer. Das berechtigte Anliegen, einen Saddam Hussein im Interesse der Weltsicherheit von der Macht zu entfernen, wird schonungslos zweckentfremdet zu einer Generalprobe für die neue Militärstrategie. Nach wie vor fragt man sich, warum es einem amerikanischen Aufklärungssystem, das aus dem Weltraum angeblich jeden Kohlkopf auf dem Acker erkennen kann, nicht möglich ist,. Hussein aufzuspüren und ihn gefangen zu nehmen – ohne die tausendfachen Opfer im irakischen Volk.
 
Nicht mehr bestreiten läßt sich neben dem militärischen Interesse der USA auch der Wunsch, die Hoheit über die bedeutendsten Energiereserven der Welt zu erreichen. Davon hängt nicht nur Amerikas Wohl und Wehe ab. Die Vereinigten Staaten wollen in den nächsten Jahren erheblich größere Mengen Erdöl einführen als bisher. Viele hochrangige Minister der Buschregierung einschließlich des Präsidenten selber kommen aus der Erdölindustrie. So ist der Vorwurf, dass hier eigentlich Krieg um Öl geführt werden soll und der Entwaffnungsgedanke nur ein Vorwand ist, nicht von der Hand zu weisen.
 
Das sind einige der Gründe, warum der Papst, die Bischöfe Deutschlands und Amerikas, die evangelische Kirche in Deutschland diesen geplanten Präventivkrieg klar und eindeutig verurteilt haben.
 
"Krieg ist eine Niederlage der Menschheit! Krieg ist niemals ein Mittel wie andere auch, das man wählen könnte, um Differenzen zwischen den Völkern zu regeln", sagte der Papst bei der Neujahrsansprache zu den Botschaftern der Länder im Vatikan.
 
Die Deutschen Bischöfe haben am vergangenen Montag u.a. folgendes erklärt: "Krieg ist immer ein schwerwiegendes Übel. Er darf darum überhaupt nur im Falle eines Angriffs oder zur Abwehr schlimmster Menschheitsverbrechen, wie eines Völkermordes, in Erwägung gezogen werden. Daher erfüllt es uns mit größter Sorge, dass das völkerrechtlich verankerte Verbot des Präventivkrieges in den letzten Monaten zunehmend in Frage gestellt wird. Es geht nicht um einen Präventivkrieg, sondern um Kriegsprävention! Eine Sicherheitsstrategie, die sich zum vorbeugenden Krieg bekennt, steht im Widerspruch zur katholischen Lehre und zum Völkerrecht. ... Ein präventiver Krieg ist eine Aggression, und er kann nicht als gerechter Krieg zur Selbstverteidigung definiert werden. Denn das Recht auf Selbstverteidigung setzt einen tatsächlichen oder einen unmittelbar bevorstehenden Angriff voraus, jedoch nicht nur die Möglichkeit eines Angriffs. Der Krieg zur Gefahrenvorbeugung würde das völkerrechtliche Gewaltverbot aushöhlen, politische Instabilität fördern und letztlich das ganze internationale System der Staatengemeinschaft in seinen Grundfesten erschüttern. ... Daher fordern wir alle Verantwortlichen auf, das in ihrer Macht Stehende zu tun, einen Krieg im Irak zu verhindern und – mit den Worten von Papst Johannes Paul II. - "das unheilvolle Flackern eines Konfliktes, der mit dem Einsatz aller vermeidbar ist, auszulöschen".
 
Als Christen stehen wir in der Geisteshaltung, die uns durch Jesus begegnet und die in der Bergpredigt beispielhaft dargestellt ist. Es ist nicht die Haltung der Gewalt und des Krieges, sondern des Dialoges, des gesuchten Gesprächs, der Beziehung.
 
Mit unserem Gebet versuchen wir, diese Haltung in uns zu vertiefen und sie weiter in diese Welt hineinzutragen.

Amen.

Harald Fischer