Solidaritätskundgebung Familie Ikhlef
3. November 2008, St. Familia, Kassel
 

„Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.“ (Ex 22,20).
 
Dieses Wort finden wir in der Bibel, der Heiligen Schrift für Juden und Christen.  Es erinnert Israel an seine eigene Erfahrung: Sie waren als Fremde in Ägypten, sind von dort geflohen und waren darauf angewiesen, neue Heimat zu finden.
 
„Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.“
 
Katholische Christen antworten auf die Verlesung  dieser Sätze mit dem liturgischen Antwortruf: „Wort des lebendigen Gottes“.
 
Es gehört zu den Grundaufgaben von Christen, an der Seite von Armen, Schwachen, Flüchtlingen zu stehen.
 
Hätte Ägypten vor ca. 2000 Jahren schon die rigide Asylgesetzgebung gehabt, wie wir sie heute in Deutschland praktizieren: die Flucht Jesu vor dem kindermordenden Herodes wäre gescheitert. Jesus wäre schon als Kind getötet worden und hätte seine Heilsbedeutung für die Welt nicht entfalten können. Jahrelang hat er mit seiner Familie in Ägypten als Asylant gelebt, bevor er freiwillig zurückgekehrt ist, nachdem die tödliche Gefahr vorbei war.
 
Die Wirklichkeit von Flucht und Vertreibung gehört in die Menschheitsgeschichte. Und auch die Erfahrung von Menschlichkeit und Zuwendung.
 
Darum: Wir freuen uns, dass diese Solidaritätskundgebung heute hier bei uns in der Kirche St. Familia stattfindet und wir so ein Zeichen setzen können.
 
Zum einen ein Zeichen für:
Deutschland muss sich wieder mehr öffnen für die Not unzähliger Menschen auf der Welt.
 
85% der weltweiten Flüchtlinge lassen sich in den Nachbarländern ihrer Heimat nieder, in denen selber oft große Not und Elend herrschen.
 
Nur 15 % kommen bis nach Europa und nach Nordamerika und erfahren dort meist rigorose Ablehnung, Diskriminierung, Inhaftierung und Abschiebung.
 
Wir können unseren Reichtum nicht auf Kosten solcher Unmenschlichkeit sichern!
 
Wir müssen die Not der Betroffenen sehen: die politische - aber auch die wirtschaftliche Not. Kein Mensch ist schon deshalb kriminell oder als solcher zu behandeln, weil er für sich und seine Kinder nach Möglichkeiten sucht, zu überleben!
 
Heute sind wir hier aus Solidarität mit einer konkreten Familie - der Familie Ikhlef.
 
Sie ist nach Bedrohung und Folter aus Algerien geflohen und ist jetzt von der Abschiebung bedroht. Wir werden nachher noch mehr zu der konkreten Situation hören.
 
Wir fordern ein Bleiberecht aus humanitären Gründen für die Familie Ikhlef!
 
Wenn die Familie weiter von der Abschiebung bedroht bleiben sollte, werden wir in unserer Gemeinde sehr ernsthaft die Möglichkeit eines Kirchenasyls prüfen und es ggfs. der Familie anbieten.
 
Wir wissen: das Kirchenasyl schafft kein eigenes Recht neben dem des Staates. Aber wir wollen dem Staat die Möglichkeit geben, seine Entscheidung zu überprüfen und zu revidieren.
 
Vor einigen Jahren hatten wir in unserer Gemeinde schon einmal eine junge Familie ins Kirchenasyl aufgenommen. Sie stammte aus Kurdistan, ein junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern. Vier lange Jahre dauerte die Auseinandersetzung. Sie war immer überschattet von der Angst, dass die Polizei räumen würde.
 
Heute lebt die Familie mit deutschem Paß in unserem Land. Sie sind geachtete und integrierte Bürger.
 
Oft, sehr oft sind durch das Kirchenasyl Räume geschaffen worden, damit juristische Fehlurteile revidiert werden konnten.
 
Das erwarten wir auch für die Familie Ikhlef.
 
Harald Fischer