Die Taizé-Kapelle – ein Ort der Stille

 

Backstein, wo du hinsiehst, Backstein.

Kalk´ ihn und lass den Ahorn rein!


Dieser kleine Reim ging mir bei der Arbeit an der Taizé-Kapelle lange nicht aus dem Kopf. Er fiel mir zum ersten Mal in Umbrien ein- nach dem Besuch eines Raumes, den sich Franz von Assisi im Kloster „Le Celle di Cortona“ geschaffen hat . Bei der Gestaltung war mein Herz und mein Kopf häufig geprägt von den Orten, Geschichten und der Spiritualität der franziskanischen Einsiedeleien in Mittelitalien.

Es sollte ein Ort werden, wo man Stille schätzt, die notwendig ist für ein Leben des Gebets, das dem Wort Gottes Raum gibt und eine Leere schafft, die Gott selbst füllen möchte. Wichtig war mir die Genauigkeit und Sorgfalt im Detail und in der Lichtführung. Der Raum soll anrühren und beherbergen, in Menschlichkeit. Zugleich soll man sich wahrhaft fühlen, am Fuße der Leiter des Jakob.

 

Zeitgleich erbaut (ca.1898) mit der nebenstehenden Kirche St. Familia diente der Raum den Mitgliedern der Gemeinde als Ort gemeinschaftlicher Versammlung. In den 30 er Jahren treffen sich hier NS-Regime kritische Jugendgruppen. Im zweiten Weltkrieg wird die Kirche zerstört. Der Wiederaufbau verändert die Grundriss- und nutzungsspezifische Situation nicht. Zur Veränderung kommt es erst 1972 nach dem Bau des Gemeindezentrums neben der Kirche. Der Raum verliert seine Nutzung; er wird für zwei Jahrzehnte zur Abstellkammer. Anfang der 90er Jahre, nach sparsamster Renovierung ohne jeden Charme, entwickelt sich hier ein interkonfessioneller Begegnungsraum.

2004 entschließt sich die Gemeinde, unter Leitung von Dechant Harald Fischer dem Ort ein neues Gesicht zu geben. Nachdem ich 2002 bereits das Gemeindehaus saniert und umgebaut hatte und mich im Kreis der Gemeinde vertrauensvoll eingebunden fühle, erhielt ich den Auftrag für den Umbau.

 

 

Taizekapelle morgens

 

Ziel war es, einen Ort zu schaffen, an den jeder kommen kann, einen Ort der allen Menschen offen steht, an dem man sich eine halbe Stunde Auszeit nehmen und ungestört sein kann, einen Ort zum Anhalten, Innehalten, Ausruhen, Meditieren und Beten. Inmitten der hektischen und lärmenden Stadt sollte ein Raum entstehen, der bietet, was in der Stadt schwer zu bekommen ist: Ruhe.

Ruhe sollte auch bei der Gestaltung das Leitmotiv sein. Der neue Raum ist entstanden durch großes, ehrenamtliches Engagement handwerklich geschickter Gemeindemitglieder. Gemeinsam wurde der Raum vom “alten Putz” befreit. Kalkfarbe mit Marmormehl geben den Wänden eine strahlende Klarheit.

Ein differenziertes Lichtkonzept garantiert die Erzeugung vielfältiger Raumstimmungen. In diese rohe, gekalkte Mauerwerksschale legt sich, abgelöst durch eine Fuge der Boden aus 1,25 m x 2,50 m großen, 25 mm starken Ahorn-Vollholzplatten. Wand-, Deckenvertäfelung und Möbelalles aus einem Material- mit weiß pigmentiertem Öl behandelt, klar und duftend.

Der Besucher lässt seine Straßenschuhe- und mit ihnen den Alltag- im Vorraum. Auf Filzpantoffeln betritt er den Raum. Die Ausstattungsgegenstände wurden eigens für den Ort entworfen und angefertigt: das Kreuz aus rostigem Flachstahl mit Ahornkorpus, der mit der Wandvertäfelung und dem Boden verschmilzt; die Glasvase mit der Rose, der Leuchter aus Stahl, die Ikone, das Glasfenster.

Text von Meinrad Ladleif, Kassel | Architekt
Foto Fernando Vargas